Compliance und Integrität als Mittel zur Prävention
Gastkommentar _ Organisationale Integrität ist dieser Tage bedeutsamer denn je. Sie ist nicht nur die Voraussetzung, sondern die Berechtigung der Unternehmens-existenz. Compliance-Verantwortlichen kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zu. Ein Gastkommentar von Katja Nagel, Leiterin des Global Organizational Integrity Institutes (GOII) in München.
Compliance-Verstöße in Unternehmen gelangen schnell an die Öffentlichkeit und werden in der Regel mit hohen Strafen geahndet. Die Reputation leidet enorm, hohe Umsatzverluste sind an der Tagesordnung. Eine der zentralen Maßnahmen ist daher ein effektives Compliance Management System. In Zeiten voller Unsicherheiten und stetigen Veränderungen reicht ein solches als alleiniges Instrument aber nicht mehr aus: Es braucht zudem eine stabile Werteorientierung innerhalb der Organisation. Compliance Management heißt ja nicht mehr als die geschriebenen Regeln und Gesetze zu befolgen. Integritätsmanagement dagegen bedeutet, sich aus eigener Überzeugung im Einklang mit dem eigenen Wertesystem an gesellschaftliche Werte und Normen zu halten, geschriebene wie ungeschriebene, im Sinne eines ethischen Rahmens. Während Integrität in Graubereichen und bei Unsicherheiten also für legitimes Handeln sorgt, stellt ein funktionierendes Compliance Management System lediglich die Einhaltung von Gesetzen sicher.
Sinnvolle Vorbeugung braucht zwei Stoßrichtungen
Neben der Errichtung performanter Compliance Management Systeme muss die Stärkung der Integritätskultur also oberste Priorität genießen. Die Gründe liegen in den vielen juristisch nicht abschließend geklärten Bereichen und der nahezu un-überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern. Sie alle haben für sich den Anspruch, die Regelkonformität nicht nur zu verstehen, sondern auch anwenden und umsetzen zu lernen. Vor diesem Hintergrund braucht es neben Compliance Integrität als Grundlage und als gemeinsames Werteverständnis. Das gilt umso mehr, wenn Richtlinien und Gesetze (im Einzelfall) nicht einfach anzuwenden sind, weil Regeln sich widersprechen oder Interpretationsspielraum besteht.
Die fortwährende und intensive Auseinandersetzung mit Integrität sorgt dafür, dass sich die Mitarbeiter auch tatsächlich nicht nur legal, sondern legitim verhalten wollen, Verantwortung übernehmen und hinsehen, wenn etwas in ihren Augen nicht richtig läuft. Legitim bedeutet dabei, was die Mehrheit einer Gesellschaft wertebasiert und teilweise unausgesprochen als richtig, tugendhaft, ehrbar, anständig und fair empfinden würde. Legal, was das Gesetz erlaubt. Da ein Unternehmen und deren Mitarbeiter aber nicht nur gesetzestreu handeln, sondern ein geschätztes Mitglied der Gesellschaft sein möchten, resultiert daraus der eigene Anspruch, mehr sein zu wollen als ein Erfüllungsgehilfe der Rechtslage, nämlich gleichsam selbst ein Pfeiler für Integrität und Recht.
Neben Entscheidungskompetenz in unklaren Situationen sorgt Integrität also auch für gesellschaftliche Verantwortung über die betriebswirtschaftlichen Ziele hinaus und flankiert somit sehr erfolgreich Gesetzestreue und Compliance Management Systeme. Im Ergebnis handelt eine Organisation unausgesprochen nach gemeinsamen Regeln und Werten, die Integritätskultur wirkt als Autopilot für das ganze Unternehmen.
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