Anti-BEPS – alles wird gut?
Derzeit ringen die Staaten intensiv um eine Neuordnung internationaler Steuerfragen. Auslöser waren Medienberichte über Steuerstrategien von multinational tätigen US-Konzernen und der Wunsch vieler Staaten, als Absatzmärkte stärker an den Gewinnen grenzüberschreitender Transaktionen teilzuhaben. Rechtsanwalt und Steuerberater Michael Schmidt beschreibt, mit welchen Gegenmaßnahmen die OECD- und G20-Staaten auf diese Steuerstrategien – bekannt unter der Abkürzung BEPS („Base Erosion and Profit Shifting“) – reagieren und welche Konsequenzen dadurch dem internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr drohen.
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Mittels dieser Steuerstrategien wird – grob gesagt – der steuerpflichtige Gewinn in Hochsteuerländern insbesondere durch Zins- und Lizenzzahlungen an andere Konzerngesellschaften reduziert und in Niedrigsteuerländern erhöht. Somit reduziert sich die Konzernsteuerquote. Weitgehend unbestritten ist, dass diese Steuerstrategien grundsätzlich legal, wenn auch steuerpolitisch nicht erwünscht sind.
Die OECD-/G20-Staaten und 17 weitere Länder haben 15 Anti-BEPS-Aktionspunkte entwickelt, die die G20-Staaten am 16. November 2015 gebilligt haben. Diese enthalten 1) Mindeststandards, die verpflichtend umzusetzen sind (neue formale und inhaltliche Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation einschließlich eines „Country-by-Country-Report“ oder „CbCR“; Mindeststandards für Verständigungsverfahren; Maßnahmen gegen schädliche Steuerpraktiken und den Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen oder „DBA“); 2) Empfehlungen zur Schaffung eines möglichst einheitlichen internationalen Steuerrechts (Ausweitung der Betriebstättendefinition, Neujustierung des Ortes der „Wertschöpfung“ als dem Ort der Besteuerung; Behandlung hybrider Finanzinstrumente und Gesellschaften, Beschränkung des Zinsabzugs) und 3) „best practices“, deren Einführung empfohlen wird (Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung und zur Offenlegung aggressiver Steuergestaltungen).
Diese Aktionspunkte sollen das internationale Steuerrecht der teilnehmenden Staaten harmonisieren, die grenzüberschreitende (steuerliche) Transparenz stärken, den Aufbau effizienter Steuerverwaltungen in Entwicklungsländern fördern und eine (bessere) Koordination der jeweiligen steuerpolitischen Ziele der einzelnen Staaten erreichen. Inzwischen wird unter Federführung der OECD von mehr als 80 Staaten die Umsetzung der Aktionspunkte vorbereitet. Weitere 19 Staaten haben ihre Mitwirkung in Aussicht gestellt. Diese Umsetzungsempfehlungen müssen dann noch in geltendes Recht durch Anpassung geschlossener DBAs, der Steuergesetze und der Praxis der Finanzverwaltungen umgesetzt werden.
Aus deutscher Sicht sind insb. die Änderungen bei der Bestimmung der Verrechnungspreise und deren Dokumentation einschließlich der Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebstätte relevant. Künftig ist eine Verrechnungspreisdokumentation dreigeteilt (Master- und Local-File sowie CbCR) und enthält vielfältige zusätzliche Angaben. Ferner favorisiert die OECD die Gewinnaufteilungsmethode. Diese wird bisher von der deutschen Finanzverwaltung abgelehnt. Weiter hat die OECD am 4.7.2016 einen Diskussionsentwurf zur Gewinnaufteilung bei Betriebstätten vorgelegt. Dieser erweitert den Begriff der Betriebstätte für Zwecke des internationalen Steuerrechts im Vergleich zum bisherigen deutschen Verständnis stark und teilt das Ergebnis zwischen Stammhaus und Betriebstätte abweichend von den derzeit geltenden deutschen Regelungen auf. Künftig dürfte die unternehmerische Tätigkeit sehr viel häufiger zu einer Betriebstätte i. S. d. DBA führen und dieser ein höherer Gewinnanteil zugeordnet werden, als dies nach derzeitigem deutschem Verständnis bei (ausländischen) Betriebstätten deutscher Unternehmen der Fall ist.
Zwecks einer harmonisierten Umsetzung der Anti-BEPS-Maßnahmen durch die EU-Mitgliedsstaaten hat die EU-Kommission Ende Januar 2016 das sog. „Anti Tax Avoidance Package“, bestehend insb. aus dem Entwurf zur Änderung der EU-Amtshilferichtlinie und dem Entwurf einer „Anti Tax Avoidance Directive“ („ATAD“), vorgestellt. Inzwischen hat der EU-Finanzministerrat (ECOFIN) die Änderung der EU-Amtshilferichtlinie (automatischer Informationsaustausch auch bzgl. des CbCR) und ATAD beschlossen. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt bereits vor. Weitere Entwicklungen auf der OECD-Ebene werden zu entsprechenden Nacharbeiten auf EU-Ebene und somit auch auf deutscher Ebene führen. Die Zeit hierfür wird knapp. Das CbCR soll bereits für nach dem 31.12.2015 beginnende Wirtschaftsjahre gelten, während die sonstigen neuen Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation erst ab dem 1. Januar 2017 gelten sollen.
Auch Vertreter der deutschen Finanzverwaltung erwarten, dass sich hierdurch das Risiko von Doppel- und Mehrfachbesteuerungen wegen der großen Auslegungsspielräume der Finanzverwaltungen und deren divergierenden steuerpolitischen Interessen deutlich erhöht. Umso bedauerlicher ist, dass sich die Teilnehmerstaaten nicht auf ein verbindlich durch Schiedsspruch zu beendendes Verständigungsverfahren einigen konnten. Ein Schiedsverfahren wird bisher nur von 20 Staaten unterstützt. Dies ist bitter, da Unternehmen künftig erhebliche Kosten für zusätzliche Dokumentationen entstehen. Dies trifft nicht nur internationale Konzerne, sondern jedes Unternehmen mit einer Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaft oder einer Betriebstätte im Ausland. Dem möglichst ungehinderten internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr droht künftig auch von der Steuerseite Ungemach.
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