Deutsches Sorgfaltspflichtengesetz gegen Menschenrechtsverletzungen
POlitisch jedoch umstritten _ Im Jahr 2016 veröffentlichte die Bundesregierung ihren Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte. Darin formulierte sie ihre Erwartung an alle in Deutschland ansässigen Unternehmen, die Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht zu beachten. Nachdem die jährlichen Monitorings 2018 und 2019 aber gezeigt haben, dass keine ausreichende Umsetzung erfolgt war, sollen nun gesetzliche Maßnahmen eingeführt werden. Für dieses „Lieferkettengesetz“ haben die Bundesministerien für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Eckpunkte vorgelegt, die jedoch seit Wochen innerhalb der Bundesregierung hitzig diskutiert werden.
Bei Redaktionsschluss galt dazu folgender Stand: Das Gesetz soll sich an Unternehmen mit einem „starken Inlandsbezug“ und unternehmerischer Steuerung in Deutschland sowie gruppenweit mehr als 500 Beschäftigten richten. Diese ca. 7 300 Adressaten sollen einen Prozessstandard zur Sicherstellung der Sorgfalt (Due Diligence) etablieren. Danach sind sie gehalten, Risiken für international anerkannte Menschenrechte zu ermitteln, wie Kinder- oder Zwangsarbeit, Diskriminierung, Verletzung grundlegender Arbeitnehmerrechte, Schädigung der Gesundheit oder der zum Lebensunterhalt benötigten Wirtschaftsgüter etwa durch Umweltverunreinigungen. Wenn Risiken bestehen, müssen die Unternehmen ermitteln und bewerten, inwiefern sie und ihre Geschäftsbeziehungen dazu einen Beitrag leisten. Anschließend haben sie geeignete Maßnahmen der Risikovermeidung zu ergreifen und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Ferner müssen die Unternehmen einen Beschwerdemechanismus für Betroffene einrichten oder einem solchen beitreten und jährlich transparent und öffentlich über die Risikoermittlung und die ergriffenen Maßnahmen berichten. Dabei gilt als Grundsatz, dass die Verantwortung zur Umsetzung unternehmerischer Sorgfaltspflichten umso größer ist, je näher die Beziehung zum Zulieferer und je höher die Einwirkungsmöglichkeit ist.
Mögliche Schadensersatzforderungen
Wenn ein Unternehmen keine angemessenen Maßnahmen ergriffen hat und deshalb Rechtsgüter Dritter, wie Leben, Gesundheit, Eigentum oder Persönlichkeitsrecht, beeinträchtigt wurden, können die Geschädigten vor deutschen Zivilgerichten Schadensersatz verlangen. Eine Beeinträchtigung kann auch dadurch erfolgen, dass das Unternehmen zu Umweltschäden beigetragen hat, die wiederum zur Verletzung von Rechtsgütern geführt haben. Welche Maßnahmen angemessen sind, richtet sich u. a. nach der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit und (potenziellen) Schwere des Schadenseintritts sowie der Einwirkungsmöglichkeit des Unternehmens zur Schadensabwehr. Konkret soll dabei auf (Branchen-) Standards und Leitfäden, also im Wesentlichen auf Soft Law, zurückgegriffen werden. Zugleich ist eine „Safe Harbor“-Regelung geplant. Diese sieht vor, dass Unternehmen, die einem staatlich anerkannten (Branchen-)Standard beitreten und diesen implementieren, ihre zivilrechtliche Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken können.
Über diese deliktische Haftung hinaus kommen auch behördliche Maßnahmen in Betracht. So kann die noch zu bestimmende zuständige Behörde die jährlichen Berichte prüfen und ggf. beanstanden. Sofern sie eine Nachbesserung verlangt, diese aber ausbleibt, kann die Behörde ein Bußgeld verhängen. Bußgelder kommen auch dann in Betracht, wenn die Behörde Gesetzesverstöße feststellt. Unternehmen, die mit Bußgeldern sanktioniert wurden, sollen für eine „angemessene Zeit“ von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Zahlreiche Kritikpunkte
Einige Wirtschaftsverbände haben die Eckpunkte scharf kritisiert, weil eine Haftung für das Fehlverhalten Dritter begründet werde, auf die die Unternehmen unter Umständen keine hinreichenden Kontroll- und Einflussmöglichkeiten haben. Darüber hinaus gibt es auch erhebliche Widerstände innerhalb der Bundesregierung. Insbesondere ist umstritten, ob der Anwendungsbereich durch Anhebung der erforderlichen Beschäftigtenzahl enger gefasst werden sollte. Allerdings ist fraglich, ob das für kleinere Unternehmen in der Praxis tatsächlich Erleichterungen zur Folge hätte, da anzunehmen ist, dass große Unternehmen ihre Pflichten ohnehin in der Lieferkette weiterdelegieren. Dementsprechend müssten auch kleinere und mittelständische Geschäftspartner Sorgfaltsprüfungen vornehmen und Berichte erstellen, um weiterhin mit ihren Kunden zusammenarbeiten zu können. Ein weiterer Streitpunkt betrifft das Klagerecht und die potenziellen Bußgelder. Die gänzliche Abschaffung dieser Sanktionen würde das Gesetz allerdings zu einem Papiertiger machen. Insgesamt ist aber positiv festzuhalten, dass es immerhin Bemühungen gibt, einheitliche Regelungen zu schaffen, die für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen können.
Das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz reiht sich in entsprechende Gesetze anderer europäischer Staaten ein, auch auf EU-Ebene gibt es bereits Pläne für unionsweit verbindliche Sorgfaltspflichten. Solch eine europäische Regelung würde im größeren Maßstab Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und hätte international erheblich mehr Gewicht und Strahlkraft.
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