Mittelstand – Berlin erleichtert Kapitalmarktzugang
Laut EU-Prospektverordnung können Mitgliedstaaten öffentliche Angebote von Wertpapieren von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts ausnehmen, sofern diese Angebote nicht der Notifizierung unterliegen und der Gesamtgegenwert eines solchen Angebots in der Union über einen Zeitraum von zwölf Monaten 8 Mio. Euro nicht überschreitet. Entgegen ihrer ursprünglichen Pläne hat nun auch die Bundesregierung nachgebessert und die Grenzbeträge nach oben angepasst. Für kapitalorientierte Mittlerständler eine gute Entwicklung, meinen Ingo Wegerich und Elena Recklin, Anwälte der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.
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In einem Referentenentwurf hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) die Prospektfreiheit in Deutschland zunächst nur bis zu 1 Mio. Euro vorgesehen. Aus Sicht des kapitalmarktorientierten Mittelstandes stellte dies eine erhebliche Benachteiligung für deutsche Unternehmen dar. Andere EU-Mitgliedstaaten beabsichtigten deutlich weitergehende Regelungen. Vor allem würde die Kapitalmarktfinanzierung damit aber sogar deutlich ungünstiger gestaltet als das so genannte Crowdfunding. Für die „Schwarmfinanzierungen““ sieht das Vermögensanlagengesetz Prospektbefreiungen bis zu einem Wert von 2,5 Mio. Euro vor. Entsprechend hatte der Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen den Gesetzentwurf scharf kritisiert.
Bundesregierung bessert nach
Auf Grund der Kritik hat die Bundesregierung entschieden, die EU-Regelung voll auszuschöpfen. Anbieter für öffentliche Angebote von Wertpapieren allein in Deutschland mit einem Gesamtgegenwert von mehr als 100 000 Euro, aber weniger als 8 Mio. Euro können künftig statt eines Prospekts ein Wertpapier-Informationsblatt veröffentlichen, sofern nicht bereits die Pflicht zur Veröffentlichung eines Basisinformationsblatts besteht. Im Wertpapierhandelsgesetz wird zudem klargestellt, dass neben einem Wertpapier-Informationsblatt nicht zusätzlich ein Produktinformationsblatt erstellt werden muss. Das Wertpapier-Informationsblatt soll Anlegern als Informationsquelle für ihre Anlageentscheidung dienen. Um nicht qualifizierte Anleger zu schützen, sind bei prospektfreien Emissionen ab 1 Mio. Euro ferner bestimmte Einzelanlageschwellen zu beachten. Möchten Emittenten allerdings für grenzüberschreitende Angebote von dem Europäischen Pass profitieren, müssen sie nach der EU-Prospektverordnung bereits ab 1 Mio. Euro einen Prospekt erstellen und billigen lassen, der dann in andere Mitgliedstaaten notifiziert werden kann.
Formale Anforderungen
Das Wertpapier-Informationsblatt darf nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen. Es muss mindestens die wesentlichen Informationen über die Wertpapiere, den Anbieter, den Emittenten und etwaige Garantiegeber in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise enthalten – das Gesetz nennt hier die relevanten Mindestinformationen und auch die vorgesehene Reihenfolge. Das Wertpapier-Informationsblatt darf erst veröffentlicht werden, wenn die BaFin die Veröffentlichung gestattet. Die BaFin muss innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang Stellung nehmen. Hält sie weitere Informationen für erforderlich, muss die BaFin den Anbieter innerhalb von fünf Werktagen nach Eingang unterrichten. Die BaFin prüft dabei auf Vollständigkeit und auf das Einhalten der Reihenfolge der erforderlichen Angaben, nicht aber auf die inhaltliche Richtigkeit.
Bei prospektfreien Emissionen ab 1 Mio. Euro dürfen die Wertpapiere ausschließlich im Wege der Anlageberatung oder -vermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen vermittelt werden, das rechtlich zudem verpflichtet ist, zu prüfen, ob der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die von einem nicht qualifizierten Anleger erworben werden können, folgende Beträge nicht übersteigt: (1) 1 000 Euro, (2) 10 000 Euro, sofern der jeweilige nicht qualifizierte Anleger nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft über ein frei verfügbares Vermögen in Form von Bankguthaben und Finanzinstrumenten von mindestens 100 000 Euro verfügt, oder (3) den zweifachen Betrag des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des jeweiligen nicht qualifizierten Anlegers nach einer von ihm zu erteilenden Selbstauskunft, höchstens jedoch 10 000 Euro.
Die neuen Regelungen sollen am 21.7.18 in Kraft treten.
Fazit
Grundsätzlich ist es aus Sicht des kapitalmarktorientierten deutschen Mittelstandes sehr erfreulich, dass nun in vollem Umfang von der Prospektbefreiung bis zu 8 Mio. Euro Gebrauch gemacht wird, wobei der Anlegerschutz zugleich durch das Wertpapier-Informationsblatt gewährleistet wird. Sehr kritisch müssen jedoch die Schwellenwerte und insbesondere die zwingende ausschließliche Verpflichtung des Vertriebs über Anlageberatung und -vermittlung über ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gesehen werden, das die Einhaltung der Schwellenwerte überprüfen soll. Hier erscheint die Praktikabilität dieser Regelungen doch sehr fraglich. Prospektfreie Eigenemissionen und ein Vertrieb über die Website oder den Ladentisch sind nach dem Wortlaut danach ausgeschlossen.
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