Die Frauenquote und ihre Rechtsfolgen

"Das Thema Diversity im Vorstand und Aufsichtsrat ist stark gesellschaftspolitisch gefärbt und facettenreich. Es umfasst insbesondere die Internationalität, Vielfalt des beruflichen Hintergrunds, Altersvielfalt und angemessene Repräsentation von Frauen. Geltende und potenzielle Regelungen haben dazu unterschiedliche Inhalte und Sanktionen, wie Frank Scholderer (Partner) und Annette Petow (Associate) von der Sozietät Clifford Chance erläutern."

Der Richtlinienvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates (COM(2012) 614 vom 14.11.2012) schreibt eine Frauenquote von 40% in Aufsichtsräten ab dem 1.1.2020 vor. Der Vorschlag wurde im November 2012 an das Europäische Parlament weitergeleitet. Zuletzt gab der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss am 9.5.2013 seine Stellungnahme ab und begrüßte den Vorschlag. Obwohl freiwillige Maßnahmen grundsätzlich den Vorzug verdienten, sei der Ausschuss überzeugt, dass sich ohne rechtsverbindliche Ziele kaum etwas an der Vertretung von Frauen und Männern in börsennotierten Unternehmen in der EU ändern werde. In dem Aktionsplan der Europäischen Kommission vom 12.12.2012 werden weitere Regulierungsvorhaben in diesem Bereich angekündigt.

Nach der CRD-IV-Richtlinie legen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen insbesondere den Grundsatz fest, dass in Bezug auf Geschlecht, Alter, geografische Herkunft, Ausbildung und beruflichen Hintergrund Diversität im Leitungsorgan zu fördern ist. Der Nominierungsausschuss hat die Ausgewogenheit und Diversität der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen des Leitungsorgans zu bewerten und eine Aufgabenbeschreibung mit Bewerberprofil zu erstellen. Nach der CRR-Verordnung vom 20.7.2011 müssen Kreditinstitute und Wertpapierfirmen hinsichtlich der Governance-Regelungen ihre Diversitätsstrategie für die Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans, die Ziele und einschlägigen Zielvorgaben der Strategie und den Zielerreichungsgrad festlegen. Diese Angaben müssen regelmäßig – mindestens jährlich – aktualisiert werden.

Deutscher Gesetzgeber wird aktiv

Auch der deutsche Gesetzgeber hatte sich des Themas angenommen. Am 18.4.2013 wurde jedoch der Gesetzentwurf zur Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen im Bundestag mehrheitlich abgelehnt. Im Vorfeld der Abstimmung hatten sich CDU und CSU auf den Kompromiss geeinigt, eine gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten von 30% ab dem Jahr 2020 in das Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 aufzunehmen.

In Deutschland existieren desweiteren Selbstregulierungsinstrumente wie die Flexi-Quote des Bundesfamilienministeriums, die insbesondere auch die Setzung unternehmensspezifischer Ziele zum Frauenanteil in Führungspositionen unterhalb der Vorstands- und Aufsichtsratsebene umfasst, und der Women-on-Board-Index von FidAR e.V., ein Ranking zum Anteil von Frauen in Führungspositionen der 160 im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten Unternehmen.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält seit 2009 die Empfehlung, bei der Besetzung von Vorstand und Aufsichtsrat auf Diversität zu achten. Diese Empfehlung wurde 2010 hinsichtlich einer angemessenen Repräsentanz von Frauen präzisiert und ist in der Neufassung vom 13.5.2013 unverändert geblieben. Sie enthält ein doppeltes Dreistufenmodell. Einerseits sollen die drei Hierarchieebenen der Führungskräfte, des Vorstands und Aufsichtsrats jeweils unter Berücksichtigung von Diversität zusammengesetzt sein und insbesondere einen angemessenen Frauenanteil haben. Andererseits geht es um die Verwirklichung von Diversität im Aufsichtsrat: Zunächst soll der Aufsichtsrat konkrete Ziele für seine Zusammensetzung benennen, die insbesondere eine angemessene Beteiligung von Frauen vorsehen. Dann sollen die selbst gesetzten Ziele bei Wahlvorschlägen des Aufsichtsrats an die zuständigen Wahlgremien auch berücksichtigt werden. Schließlich soll auch der jeweilige Umsetzungsstand im jährlichen Corporate Governance Bericht veröffentlicht werden. Dieses Regelungskonzept beinhaltet keine Vorgabe von Quoten, sondern ermöglicht die Setzung unternehmensspezifischer Ziele, die auch die Besonderheiten des jeweiligen Industriezweigs berücksichtigen können. Die Veröffentlichung im Corporate Governance Bericht schafft Transparenz und Vergleichbarkeit.

Sanktionsmöglichkeiten

Der Kanon von Sanktionen ist ebenso vielfältig wie die Inhalte der skizzierten Regelungen: Der Richtlinienvorschlag sieht Geldbußen vor, die von den Mitgliedstaaten festgelegt werden können. In Frankreich führt der Verstoß gegen die Quote z.B. zum Einfrieren der Sitzungsgelder und zur Nichtigkeit der Bestellung, die Beschlüsse bleiben jedoch wirksam. In Norwegen wird der Verstoß gegen die Quote mit dem Verlust der Börsenzulassung oder zwangsweisen Auflösung der Gesellschaft sanktioniert, die nur der König verhindern kann.

In Deutschland enthielten die Gesetzentwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/11139) und des Bundesrats (17/11270) die steuerliche Sanktion, dass die geleistete Aufsichtsratsvergütung bei Missachtung der Quote nicht als Betriebsausgaben abziehbar sein sollte. Unter dem geltenden „comply or explain“-Prinzip im Aktiengesetz wird teilweise angenommen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss zur Aufsichtsratswahl anfechtbar sein kann, wenn die Entsprechenserklärung zu einer Kodexempfehlung unrichtig war. Diese Auffassung wird jedoch auch stark kritisiert. Ein BGH-Urteil zur Lehre vom „faktischen Organ“ vom 19.2.2013 (Az.: II ZR 56/12) hat hierzu noch nicht die erhoffte Klarheit gebracht. Nach dem BGH-Urteil im Fall „Kirch/Deutsche Bank“ aus dem Jahr 2009 kann eine unrichtige Entsprechenserklärung jedenfalls die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat anfechtbar machen. Nach der neueren Fresenius-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2012 gilt dies allerdings nur dann, wenn der Verstoß gegen die gesetzliche Erklärungspflicht nach § 161 AktG eindeutig und schwerwiegend ist.

Dagegen ist die Öffentlichkeitswirkung, die mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung und deren Transparenz einhergeht, zunächst von geringer Sanktionsintensität. Der Druck steigt aber in dem Maße, wie sich unter den Investoren die Erkenntnis durchsetzt, dass sich die Qualität der Unternehmensführung, insbesondere die Überwachungsleistung im Aufsichtsrat, durch Diversität verbessert. Spätestens dann, wenn es um die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber für weibliche Führungskräfte geht, wird Diversität auch wirtschaftlich – und dadurch möglichweise am stärksten – incentiviert.

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