Ad hoc-Pflicht – Falscher Tweet kann teuer werden
In den USA dürfen kursrelevante Informationen unter bestimmten Voraussetzungen auch über soziale Medien wie Twitter verbreitet werden. Der deutsche Gesetzgeber ist hier wesentlich restriktiver: Tweets & Co. entsprechen hierzulande nicht den gesetzlichen Vorschriften. Auch wenn die sonstige Unternehmenskommunikation über soziale Medien rechtlich zulässig ist und häufig auch unternehmerisch sinnvoll sein kann, sollten Emittenten an den üblichen Publikationskanälen festhalten, wie Sebastian J. M. Longrée, Partner und Experte für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht bei der Essener Kanzlei Kümmerlein, erläutert.
„Am considering taking Tesla private at $420. Funding secured”, twitterte Tesla-Chef Elon Musk am 7.8.18. Kursturbulenzen, Klagen und Ermittlungsverfahren der US-Börsenaufsicht SEC waren und sind die Folge. Zumindest mit der SEC haben sich Musk und Tesla zwischenzeitlich im Wege eines „Deals” geeinigt: Musk und das Unternehmen zahlen jeweils 20 Mio. US-Dollar Strafe, Musk musste seinen Posten als Verwaltungsratsvorsitzender aufgeben und weitere Maßnahmen sollen künftig eine vernünftige Unternehmenskommunikation von Musk nach außen sicherstellen. Der Fall wirft dabei nicht nur Fragen nach dem Inhalt, sondern insbesondere nach den zu nutzenden Informationskanälen für kursrelevante Informationen auf. In den USA dürfen diese unter bestimmten Voraussetzungen über soziale Medien wie Twitter verbreitet werden. Doch wie ist die Rechtslage in Deutschland?
Keine „Lex-Twitter“
Ausgangspunkt ist Art. 17 I Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Daran angelehnt hat der deutsche Gesetzgeber seine Vorschriften geändert. Eine explizite Regelung über die Veröffentlichungen von kursrelevanten Tatsachen über soziale Medien gibt es dabei nicht. Der Gesetzgeber hat jedoch hinsichtlich der Art der Veröffentlichung, zur Sprache und zum Mindestinhalt der Information in der Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) genauere Regelungen getroffen. Zur Verbreitungsart gibt auch die Durchführungsverordnung der EU Hinweise. So muss der Emittent der Öffentlichkeit Insiderinformationen – und somit kursrelevante Tatsachen – unverzüglich bekanntgeben. Dabei meint unverzüglich „ohne schuldhaftes Zögern“. Entsprechend der Durchführungsverordnung dürfen zwar technische Hilfsmittel für die Verbreitung genutzt werden, diese müssen aber nicht diskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit gerichtet sein.
Verbreitung über soziale Medien nicht ausreichend
Trotz der steigenden Nutzerzahlen hat nicht die gesamte Öffentlichkeit Zugang zu sozialen Medien. So informiert etwa Facebook nur innerhalb eines geschlossenen Nutzerkreises. Twitter wiederum ist zwar frei zugänglich, hat aber niedrigere Nutzerzahlen. Ein Unternehmen müsste also jeweils genau prüfen, mit welcher Plattform es die Öffentlichkeit optimal erreichen kann. Zudem lässt sich der in der WpAV geforderte Mindestinhalt kaum in 280 Zeichen darstellen. Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung über soziale Medien auch keine Weiterleitung an Medien im Sinne der WpAV darstellt.
Insiderinformationen müssen auf der Internetseite des jeweiligen Unternehmens veröffentlicht werden. Dabei ist insbesondere Art. 3 der Durchführungsverordnung zu beachten. Daneben kann das Unternehmen jedoch unterstützend auf soziale Medien zurückgreifen. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass die sozialen Medien die kursrelevante Tatsache nicht vor der offiziellen Publikation veröffentlichen. Tatsachen, die keine Insiderinformationen darstellen, können dagegen jederzeit über soziale Medien bekanntgegeben werden. Voraussetzung ist, dass kein Verstoß gegen das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) erfolgt oder die förmliche Veröffentlichung durch andere Vorschriften geboten ist.
Empfindliche Sanktionen
Der Verstoß gegen eine Ad hoc-Pflicht kann eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die zu einer Geldbuße führt. Diese Geldbußen werden von der BaFin festgesetzt. So liegt z. B. eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn die Insiderinformation nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig bekanntgegeben wird. Die Höhe des Bußgelds für natürliche Personen beträgt bis zu einer Mio. Euro. Gegenüber juristischen Personen ist sogar eine höhere Geldbuße möglich. Diese beträgt bis zu zweieinhalb Mio. Euro oder bis zu 2% des Gesamtumsatzes, den die juris-tische Person in dem der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat. Auch ist darüber hinaus eine Geldbuße bis zum Dreifachen des daraus gezogenen wirtschaftlichen Vorteils möglich. In der Praxis hält sich die Bafin allerdings bisher bei Geldbußen zurück. Der letzte Bericht hierzu beleuchtet den Zeitraum 1.7.15 bis zum 31.12.16. Wegen Verstoßes gegen die Ad hoc-Publizität betrug die höchste Einzelbuße gegen ein Unternehmen 215 000 Euro. Aktuelle Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen werden von der BaFin fortlaufend auf ihrer Internetseite bekannt gemacht (sog. „Naming and Shaming“ nach § 125 WpHG). Unabhängig von den Ermittlungen der BaFin ist auch eine zivilrechtliche Haftung des Emittenten und seiner Organe auf Schadenersatz möglich. Soweit ihnen eine schuldhaft begangene Pflichtwidrigkeit vorgeworfen werden kann, haften Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber ihrer Gesellschaft unbegrenzt.
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