10. GWB-Novelle setzt neue Prioritäten in der Fusionskontrolle
Relevante Umsatzschwellen deutlich erhöht _ Am 19.1.21 trat die lange erwartete 10. GWB-Novelle in Kraft. Wichtige Neuerungen ergeben sich insbesondere im Bereich der Fusionskontrolle und der Missbrauchsaufsicht. Mit einer deutlichen Erhöhung der sogenannten Inlandsumsatzschwellen will der Gesetzgeber die Fusionskontrolle wieder stärker auf die wirtschaftlich bedeutenden Zusammenschlüsse fokussieren. Neue Regelungen im Bereich der Missbrauchsaufsicht sollen ein schnelleres und effektiveres Einschreiten insbesondere gegen marktstarke Digitalunternehmen ermöglichen.
Zusammenschlüsse unterliegen nach § 35 GWB fortan nur noch dann der Fusionskontrolle, wenn ein beteiligtes Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr einen Inlandsumsatz von mehr als 50 Mio. Euro (statt bisher 25 Mio. Euro) und ein anderes beteiligtes Unternehmen einen Inlands-umsatz von mehr als 17,5 Mio. Euro (statt bisher 5 Mio. Euro) erwirtschaftet hat. „Die Anhebung der im internationalen Vergleich außergewöhnlich niedrigen und durch die Inflation faktisch weiter abgesunkenen Inlandsumsatzschwellen war längst überfällig“, kommentiert Christoph Stadler, Partner im Kartellrechtsteam der Sozietät Hengeler Mueller. „Dass die Neujustierung am Ende so signifikant ausfiel, ist zu begrüßen.“ Die Bundesregierung erwartet, dass sich die Anzahl der zu prüfenden Zusammenschlüsse in etwa halbieren wird. Der Regierungsentwurf hatte zunächst nur eine Erhöhung auf 30 Mio. Euro bzw. 10 Mio. Euro vorgesehen.
Mehr Handlungsspielraum für Wettbewerbshüter
Bemerkenswert ist der neue § 39a GWB, der dem Bundeskartellamt ein Aufgreifinstrument an die Hand gibt, mit dem es – unter strengen Voraussetzungen – einzelne Unternehmen verpflichten kann, jeden Zusammenschluss der nächsten drei Jahre anzumelden, auch wenn dieser normalerweise nicht der Fusionskontrolle unterläge. Voraussetzung ist, dass das zu erwerbende Unternehmen 2 Mio. Euro Umsatz erzielt, davon zwei Drittel in Deutschland. „Ob es dem Bundeskartellamt gelingt, in bestimmten Branchen marktbeherrschenden Stellungen präventiv entgegenzuwirken, dürfte von anderen Wettbewerbsbehörden mit Interesse beobachtet werden“, so Stadler weiter.
Im Bereich der Missbrauchsaufsicht zielen die Neuerungen auf einen schnelleren und proaktiveren Umgang des Bundeskartellamtes mit marktmächtigen (aber nicht notwendig marktbeherrschenden) Plattformunternehmen ab. Zentral ist der neue § 19a GWB, wonach das Bundeskartellamt Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ empfindliche Verhaltenspflichten auferlegen darf, längstens jedoch für den Zeitraum von fünf Jahren. Exemplarisch sieht die Vorschrift etwa Verbote der Selbstbevorzugung und der ausschließlichen Vorinstallation eigener Produkte vor. Um die Schlagkraft des Instruments zu erhöhen, ist gegen eine entsprechende Verfügung des Bundeskartellamtes lediglich ein abgekürzter Rechtsweg unmittelbar zum Bundesgerichtshof eröffnet. Das Bundeskartellamt sieht Deutschland hier in einer Vorreiterrolle. „Diese Neuregelung wird zunächst nur wenige Unternehmen betreffen. Zu erwarten sind harte Auseinandersetzungen um die Eingriffsvoraussetzungen“, so Kartellrechtler Stadler.
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