„Neues, interessantes Squeeze-Out-Instrument“

"Die bisher nur für den Bund oder den Finanzmarktstabilisierungsfonds bestehende Möglichkeit, einen Squeeze-Out schon bei einer Beteiligungsquote von 90% durchzuführen, soll nun auch bei der Verschmelzung von Aktiengesellschaften eröffnet werden. Am 7.7.10 hat die Bundesregierung den Entwurf für das dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (UmwGE) beschlossen, der dies neben anderen Erleichterungen vorsieht. Annette Bödeker von der Kanzlei Orrick Hölters & Elsing stellt die neue Squeeze-Out-Konstellation vor."

Das nunmehr von der Bundesregierung vorgeschlagene dritte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes dient der Umsetzung der Richtlinie 2009/109/EG, die verschiedene Richtlinien hinsichtlich der Berichts- und Dokumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen modifiziert. Die Richtlinie sieht zwingend vor, dass bei einer Verschmelzung einer mindestens 90%-Tochter auf ihre Mutter ein Verschmelzungsbericht, eine Verschmelzungsprüfung und die Bereitstellung von Unterlagen für Aktionäre nicht mehr verlangt werden dürfen, wenn die außenstehenden Aktionäre ihre Aktien der Mutter zum Kauf andienen können. Die Umsetzung dieser Vorschrift setzt das Bestehen eines Andienungsrechts voraus. Das deutsche Recht kennt – von der Ausnahmeregelung des § 39c WpÜG abgesehen – aber kein Andienungsrecht für Aktien.

Nach Ansicht der Bundesregierung sprechen verschiedene Gründe gegen die Einführung eines solchen Rechts. Man hat sich daher entschlossen, von einer Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen. Danach kann es bei den bisherigen Regelungen zur Bereitstellung von Unterlagen bleiben, wenn die Mutter den Ausschluss der Minderheitsaktionäre herbeizuführen vermag und so die Privilegierungen einer 100%-Tochter-Verschmelzung nutzen kann. Dementsprechend sieht § 62 Abs. 5 UmwGE vor, dass nach Abschluss des Verschmelzungsvertrags die Hauptversammlung einer übertragenden AG einen Squeeze-Out-Beschluss bereits fassen kann, wenn der übernehmenden AG 90% des Grundkapitals gehören. Die zwingenden Vorschriften der Richtlinie sind bis zum 30.6.11 umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz rechnet damit, dass das formelle Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr eingeleitet und im Q1/2011 abgeschlossen sein wird.

Verschmelzungs-/Squeeze-Out-Verfahren

Der umwandlungsspezifische Squeeze-Out unterliegt den allgemeinen Vorschriften der §§ 327a ff. AktG für einen Squeeze-Out. Lediglich die geforderte Beteiligungsschwelle wird durch § 62 Abs. 5 UmwGE von 95% auf 90% abgesenkt. Um die Absenkung zu erreichen, muss der Hauptaktionär (1) selbst die Form einer AG haben, (2) mit seiner Tochter als übertragendem Rechtsträger einen Verschmelzungsvertrag abschließen, der einen Hinweis auf den Squeeze-Out enthält und (3) diesen nach § 62 Abs. 3 UmwG für die Dauer von mindestens einem Monat nach Abschluss veröffentlichen. Die Tochter hat (4) den Vertrag bzw. seinen Entwurf nach § 327c Abs. 3 AktG mit den übrigen Unterlagen auszulegen. Die Hauptversammlung der Tochter muss (5) den Squeeze-Out-Beschluss innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Verschmelzungsvertrages fassen. Schließlich muss (6) der Vertrag oder sein Entwurf bei der Anmeldung des Squeeze-Out-Beschlusses mit zum Handelsregister eingereicht werden.

Ist der Squeeze-Out eingetragen, kann die Verschmelzung nach den vereinfachten Vorschriften für die Verschmelzung einer 100%-Tochter erfolgen. Es bedarf dann gemäß § 62 Abs. 4 S. 1 UmwGE keiner Hauptversammlung der Tochter mehr. Verschmelzungsbericht und -prüfung sind entbehrlich. Eine Hauptversammlung der Mutter entfällt in der Regel ebenfalls.

Gestaltungsspielräume

Beim Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einer AG, die man mittelfristig auf 100% aufstocken möchte, sollte in Zukunft an eine AG als Akquisitionsgesellschaft gedacht werden. Eine Umhängung der Beteiligung auf eine AG oder ein Formwechsel des Hauptaktionärs in eine AG sind auch möglich. Gemäß der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil v. 16.3.09, Az.: II ZR 302/06) sind derartige Maßnahmen zur Schaffung der Squeeze-Out-Voraussetzungen nicht rechtsmissbräuchlich.

Auch im Hinblick auf die Beschaffung der für den Squeeze-Out erforderlichen Kapitalmehrheit gelten die in dem vorgenannten Urteil entwickelten Grundsätze. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Beschaffung der 90%-Beteiligung durch Wertpapierleihe, da Aktien gleicher Art und Güte nach der Verschmelzung nicht mehr zurückgewährt werden können. Eine derartige Gestaltung kann darauf hindeuten, dass die Folgeverschmelzung nicht beabsichtigt ist, und birgt das Risiko des Rechtsmissbrauchs.

Der vorliegende Entwurf sieht keine Wirksamkeitsverknüpfung zwischen Squeeze-Out und Verschmelzung vor. Wird die Verschmelzung nicht durchgeführt, bleibt der Squeeze-Out wirksam. Wie diese Fälle zu behandeln sind, bleibt nach Auskunft des Bundesministeriums der Justiz der Rechtsprechung überlassen. Unproblematisch dürfte jedoch der Fall sein, dass in den Monaten oder Jahren bis zum Wirksamwerden des Squeeze-Outs neue Umstände eintreten, die es rechtfertigen, von der Verschmelzung abzusehen. Der umwandlungsspezifische Squeeze-Out kann ein interessantes Instrument darstellen, kostengünstiger als bisher den Ausschluss der Minderheit herbeizuführen. Mit einer Akzeptanz im Markt ist daher zu rechnen.

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