BGH stärkt Mitbestimmung – Leiharbeiter zählen mit für den Aufsichtsrat
Großunternehmen, die laufend eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern beschäftigen, müssen diese auch bei der Unternehmensmitbestimmung berücksichtigen. Das entschied jüngst der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: II ZB 21/18).
Es komme dabei nicht darauf an, wie lange und auf welchen konkreten Arbeitsplätzen ein Unternehmen Leiharbeitnehmer einsetzt, so die richterliche Argumentation. Entscheidend sei vielmehr, ob ihr Einsatz für die ständige Größe des Unternehmens ebenso prägend ist wie die Zahl der Stammarbeitsplätze. „Die Lösung, die das Gericht gewählt hat, schließt einen möglichen Missbrauch weitgehend aus“, sagt Christian Althaus, Partner in der Essener Wirtschaftskanzlei Kümmerlein Rechtsanwälte & Notare. In dieser Hinsicht sei die Entscheidung erwartbar gewesen. „Bei der arbeitnehmerbezogenen Betrachtung könnten Unternehmen versucht sein, viele Leiharbeitnehmer regelmäßig schon vor Ablauf von sechs Monaten auszuwechseln und so dafür sorgen, dass sie nicht bei dem mitbestimmungsrelevanten Schwellenwert mitzählen“, so der Arbeitsrechtler weiter. Genau darin sahen die Richter des BGH einen möglichen Missbrauch. Das Gericht bestimmte daher jetzt die Anzahl der regelmäßig durch Leiharbeitnehmer besetzten Arbeitsplätze als Kriterium.
Betroffen von der Entscheidung sind Unternehmen, die beispielsweise in der Rechtsform einer GmbH oder AG betrieben werden und i. d. R. mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigen. Sie müssen einen mit Arbeitnehmern paritätisch besetzten Aufsichtsrat bilden (§ 1 Abs. 1 MitBestG). Bei diesem Schwellenwert müssen sie Leiharbeitnehmer nur berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt (§ 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG). Bislang war höchst umstritten, ob diese Mindesteinsatzdauer sich auf den (Leih-)Arbeitnehmer oder auf den Arbeitsplatz bezieht.
Das Urteil stärkt die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Entscheidet die Anzahl der Leiharbeitnehmer als „Zünglein an der Waage“, ob überhaupt ein Aufsichtsrat zu bilden ist, kommt es auf alle Arbeitsplätze an, die regelmäßig länger als sechs Monate mit Leiharbeitnehmern besetzt sind. Die Einsatzdauer des einzelnen Leiharbeitnehmers ist damit für die Unternehmensmitbestimmung irrelevant. Sie hat aber weiter Auswirkungen auf eine gleiche Bezahlung nach neun sowie 15 Monaten und auf die Höchstüberlassungsdauer von grundsätzlich 18 Monaten.
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