HV-Saison – Vorstände haben die Qual der Wahl

"Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) sind die für die Einberufung der Hauptversammlung notwendigen Angaben deutlich erweitert worden. Seit der Hauptversammlungssaison 2010 müssen nun u. a. für eine wirksame Einberufung der Hauptversammlung beim Ergänzungsantrag Angaben zu den Bedingungen gemacht werden, unter denen ein solcher Antrag möglich ist. Insbesondere bei den Angaben zur Haltefrist fand sich in den Einladungen zu den Versammlungen der vergangenen HV-Saison und findet sich auch zur laufenden HV-Saison 2011 ein recht bunter Strauß von Möglichkeiten, wie Tatjana Schroeder von SKW Schwarz Rechtsanwälte erläutert."

Nach den neuen Regelungen muss der antragstellende Aktionär nicht nur bis zu einem bestimmten, in der Einladung ausdrücklich zu nennenden Datum den Ergänzungsantrag gestellt haben. Er muss darüber hinaus über bestimmte Zeiten hinweg auch ein bestimmtes Aktienpaket an der Gesellschaft gehalten haben. Um das unleidliche Anfechtungsrisiko durch Berufsaktionäre zu vermeiden, sind daher neben dem letztmöglichen Eingangsdatum für einen wirksamen Ergänzungsantrag auch Angaben zur Berechnung dieser Haltefrist erforderlich.

Verschärfung durch das ARUG

Die Thematik der Haltefrist für Aktien, die eingehalten werden muss, um bestimmte Rechte ausüben zu können, ist eigentlich nicht neu. Sie besteht bereits seit dem 1.5.98 durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG). Zum praktischen Problem wurde sie aber erst durch die Auswirkungen des ARUG. Denn dadurch wurde die Pflicht zur Aufklärung der Aktionäre über die Haltefrist in der Einladung zur Hauptversammlung unmittelbar im Aktiengesetz verankert. Fehler bei der Behandlung der Formalien sind ein geradezu gefundenes Fressen für Berufskläger, die nach solchen Formfehlern immer wieder suchen und das Unternehmen dann – trotz lang andauerndem gesetzgeberischem Mühen noch immer oft erfolgreich – durch Anfechtungsklagen zu einem „Entgegenkommen“ veranlassen wollen.

Im Punkt der Haltefrist beim Ergänzungsverlangen hat sich gezeigt, dass weder das Gesetz noch die Literatur oder die Rechtsprechung bisher der Gesellschaft bei der Wahrung ihrer Pflicht zur Aufklärung des Aktionärs im Rahmen der Einberufung zur HV endgültig weiterhelfen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte der Text der HV-Einladung deshalb eigentlich nur einen Berechnungsmodus für die Frist und keinen konkreten Termin für die Haltefrist nennen. Denn bei Falschangabe eines konkreten Termins für die Haltefrist droht aus jeder Richtung die Anfechtung: Liegt das angegebene Datum zu früh, wäre eine gegebene Antragsmöglichkeit nicht nutzbar gewesen, liegt es zu spät, wird zum Nachteil der Aktiengesellschaft eine Antragstellung eröffnet, die eigentlich bereits verfristet ist.

Modelle in der Praxis

In der gelebten Praxis finden sich jedoch neben diesem noch weitere Modelle, die Fristen zu benennen. So wird zum Teil ein Datum angegeben, das in der Fristberechnung auf den Tag der HV selbst abstellt; einige Einladungen rechnen auch vom letztmöglichen Tag zurück, an dem der Ergänzungsantrag gestellt werden kann. Wieder andere schließlich geben nur den Gesetzeswortlaut wieder und/oder weisen die Aktionäre in den seit dem ARUG ebenfalls vorgeschriebenen weiteren Erläuterungen der Aktionärsrechte auf die bestehende Rechtsunsicherheit hin. Teilweise macht man weiter den Vorschlag, der Aktionär solle sich in dieser Frage rechtlich beraten lassen – was, wie die vorstehende Darstellung zeigt, am Ende nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein wird.

Exemplarisch für die unterschiedliche Handhabung des Problems in der Praxis sind die Einberufungen von Siemens, Porsche, Villeroy & Boch und GARANT: Siemens machte 2010 wie auch jetzt in 2011 keine Ausführungen zu der erforderlichen Haltefrist. Stattdessen enthalten die Erläuterungen nur den Gesetzeswortlaut der §§ 122 Abs. 1, 2 und 142 Abs. 2 AktG. In welcher Weise Siemens den in 2011 gestellten Ergänzungsantrag in Bezug auf die Haltefrist behandelt hat, ist nicht erkennbar. Porsche stellte in der ersten HV 2010 in ihren Erläuterungen noch auf eine Haltefrist von drei Monaten vor dem Ergänzungsverlangen ab und benannte kein konkretes Datum; in der zweiten Versammlung im November 2010 wurden zur Haltefrist gar keine Angaben mehr gemacht. Villeroy & Boch stellte in 2010 für die Berechnung der Haltefrist auf den Tag der HV selbst ab. Ob dies in 2011 fortgeführt wird, wird in der Veröffentlichung der diesjährigen Einladung am 31.3.11 zu lesen sein. GARANT schließlich wies in seinen Erläuterungen für die Versammlung 2010 auf die bestehende Rechtsunsicherheit hin und empfahl seinen Aktionären im konkreten Fall die Einholung von Rechtsrat; für die Berechnung der Haltefrist legte man sich nicht fest.

Gerichtliche Klärung offen

In der Hauptversammlungssaison 2010 hat es offenbar noch keine rechtlichen Auseinandersetzungen zu dieser Frage gegeben, so dass ein klärender Gerichtsentscheid noch lange auf sich warten lassen wird. Den Vorständen bleibt also auch in den kommenden Hauptversammlungsperioden lediglich die Möglichkeit des Vergleichs der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten – und die Qual der Wahl bei der für sie bestmöglichen Lösung und das bedeutet: Entscheidung für eine praktische Regelung, die möglichst wenig Angriffsfläche und ein möglichst geringes Anfechtungsrisiko bietet.

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