Investitionsschutz mit oder neben dem EU-Recht?

Vereinte Nationen und Weltbank berichteten kürzlich über eine Rekordzahl neuer Investitionsschutzklagen im Jahr 2012. Begleitet werden solche Meldungen oft von Appellen zur Verbesserung von Investitionsschutzmechanismen durch bilaterale völkerrechtliche Verträge. Kritisiert wird u. a. die uneinheitliche Rechtsprechung von Schiedsgerichten und die hieraus entstehende Rechtsunsicherheit. Auch werden Investitionsschutzstreitigkeiten zwischen EU-Mitgliedstaaten problematisiert, weil außerhalb des europäischen Rechts zwischen Mitgliedstaaten Regelungen Anwendung finden, die dem EU-Recht widersprechen. Wegen der meist vorgesehenen Zuständigkeit von Schiedsgerichten für Investitionsstreitigkeiten kann der Europäische Gerichtshof keine einheitliche Rechtsanwendung sicherstellen. Eine Harmonisierung bilateraler Abkommen mit dem europäischen Recht ist daher erforderlich, wie Heiko Haller und Hein-Jürgen Schramke, Partner der Sozietät Baker & McKenzie, erläutern.

Unternehmen, die im Ausland investieren, werden häufig durch bilaterale Investitionsschutzabkommen (Bilateral Investment Treaty oder „BIT“) geschützt. Diese völkerrechtlichen Verträge zwischen Staaten sollen über verschiedene Gewährleistungen Auslandsinvestitionen vor staatlichen Eingriffen bewahren (gerechte und billige Behandlung, Eigentumsschutz, prozessuale Rechte etc.). Meist sehen sie vor, dass Unternehmen aus dem Staat des einen Vertragspartners, die im Staat des anderen Vertragspartners investieren, selbst vor einem internationalen Schiedsgericht auf Schadensersatz wegen Verletzung der (Schutz-)Rechte aus dem BIT klagen können.

Konflikt mit EU-Recht

Problematisch sind zunächst die etwa 190 BITs, die es zwischen Mitgliedstaaten der EU gibt. Denn sie stehen neben dem europäischen Recht und nicht immer im Einklang mit diesem. Durch unterschiedliche BITs innerhalb der EU können unterschiedliche Standards zwischen den Mitgliedstaaten gelten. Da diese von privaten Schiedsgerichten ausgelegt werden, wird der einheitliche Rechts- und Wirtschaftsraum gefährdet und der Europäische Gerichtshof kann kaum noch für Rechtssicherheit durch einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der EU sorgen.
Aber auch die weit über 1 000 BITs zwischen EU-Staaten und Drittstaaten bergen die Gefahr konfligierender Regelungen. So mag etwa das europäische Recht fordern, dass staatliche Subventionen eingestellt werden. Hierin kann gleichzeitig ein Verstoß gegen einen BIT liegen, wenn dem Unternehmen bei seiner Investition die entsprechenden Subventionen versprochen worden waren.

Harmonisierung

Es war somit konsequent, dass die Mitgliedstaaten der EU mit dem so genannten Vertrag von Lissabon eine ausschließliche Kompetenz der EU eingeführt haben, BITs mit Drittstaaten abzuschließen. Hierzu hat die EU Ende 2012 durch eine Verordnung einen weiteren Schritt zu mehr Rechtssicherheit unternommen. Dadurch werden die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen ermächtigt, trotz der formalen ausschließlichen Kompetenz der EU BITs mit Drittstaaten zu verhandeln. Allerdings ist auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht zu achten. Mit Drittstaaten geschlossene BITs bleiben so lange wirksam, bis die Union und der Drittstaat eigene Investitionsschutzabkommen schließen. Langfristiges Ziel ist die Harmonisierung der zwischen EU-Mitgliedstaaten und Drittländern bestehenden BITs, indem diese durch EU-weite Abkommen abgelöst werden.

Klare Standards

Die EU hat zudem Vorschläge für eine neue Investitionsschutzpolitik erarbeitet. Das Europäische Parlament äußerte sich im April 2011 besorgt über den Ermessensspielraum internationaler (Investitionsschutz-)Schiedsgerichte und forderte die Europäische Kommission auf, „eine klare Definition der Standards zum Schutz der Investoren vorzulegen, um solche Probleme in den neuen Investitionsabkommen zu unterbinden“. Insbesondere empfahl es der Kommission die präzisere Definition von Begriffen wie „Investor“, „Investment“ und „gerechte und billige Behandlung“. Der „Schutz vor direkter und indirekter Enteignung“ soll so definiert werden, dass ein klares und gerechtes Verhältnis zwischen Zielen des Gemeinwohls und privaten Interessen gewährleistet ist.

Einzelheiten hinsichtlich der BITs zwischen EU-Mitgliedstaaten sind nach wie vor ungeklärt. Nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des Oberlandesgericht Frankfurt sind diese wirksam. Ein Schiedsgericht müsse jedoch bei der Auslegung des bilateralen Investitionsschutzabkommens europäisches Recht berücksichtigen. Hier wäre es wünschenswert, wenn die EU für weitere Rechtssicherheit sorgen würde und auch den Investitionsschutz innerhalb der EU vereinheitlichen würde. In jedem Fall sollten sich Unternehmen mit „Investitionsschutz“ beschäftigen. Sie können das Investitions-schutzrecht in vielen Fällen nutzen, um einer Gefährdung ihrer Auslandsinvestitionen zu begegnen.

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