Scrip Dividend – Alternative in unsicheren Zeiten
Aktienrecht _ Emittenten stehen in Zeiten größerer Marktunsicherheit oft vor einer schwierigen Entscheidung: Zahlen sie aus dem erwirtschafteten Bilanzgewinn die gewohnte oder erwartete Dividende oder belassen sie aus Gründen der Vorsicht lieber Liquidität im Unternehmen? Die Aktiendividende oder auch „scrip dividend“ kann hier ein wesentliches Element sein, diese Entscheidung zu erleichtern, da Dividenden gezahlt werden, der Liquiditätsabfluss aber verringert wird, wie Dominik Heß, Philipp Klöckner und Christian Vogel von Clifford Chance erläutern.
Von Aktiendividenden spricht man, wenn eine börsennotierte Aktiengesellschaft ihren Aktionären anbietet, ihre Dividendenansprüche gegen Ausgabe von Aktien ganz oder teilweise in die Gesellschaft einzubringen. Soweit Dividendenansprüche eingebracht werden, erlöschen diese durch Konfusion, müssen also nicht mehr in bar bedient werden. Für die Aktionäre ist die Aktiendividende eine willkommene Möglichkeit auszuwählen, ob eine Auszahlung in bar oder in Aktien der Gesellschaft erfolgen soll, die in der Regel mit einem Abschlag von 2 bis 3% auf den Börsenkurs ausgegeben werden. Vorreiter einer solchen Gestaltung war in Deutschland die Deutsche Telekom AG, die ihren Aktionären im Jahr 2013 erstmals eine Aktiendividende anbot. Diesem Vorbild sind inzwischen eine Reihe weiterer Unternehmen unterschiedlicher Größe und aus verschiedenen Branchen gefolgt.
Rechtliche Ausgestaltung und Dokumentation
Für die Aktiendividende ist weder eine ausdrückliche Regelung in der Satzung noch ein gesonderter Beschluss der Hauptversammlung (HV) erforderlich. Benötigt wird einzig ein ausreichend großes genehmigtes Kapital mit der Möglichkeit der Sacheinlage. Erleichternd kommt hinzu, dass ein Bezugsrechtsausschluss nicht erforderlich ist. Die HV beschließt dann über eine Bardividende mit der einzigen Besonderheit, dass die Bardividende nicht wie üblich am dritten Geschäftstag nach der HV fällig wird, sondern erst rund einen Monat nach der HV, um die technische Abwicklung der Aktiendividende zu gewährleisten. Die benötigten Mehrheiten für die Aktiendividende unterscheiden sich daher nicht von der „normalen“ Dividende.
Den Aktionären wird in Form eines Bezugsangebots die Möglichkeit gegeben, ihre Ansprüche aus der Bardividende in die Gesellschaft gegen Ausgabe von Aktien an der Gesellschaft einzubringen. Das Bezugsangebot wird unmittelbar nach der HV veröffentlicht. Die Annahmefrist beträgt dabei üblicherweise zwei Wochen.
Unterliegen die Dividendenansprüche der deutschen Kapitalertragsteuer, erstreckt sich das Angebot üblicherweise von vornherein nur auf den Teil der Bardividende, der nicht zur Erfüllung der Kapitalertragsteuer benötigt wird. Wie viele Dividendenansprüche für eine Aktie der Gesellschaft eingebracht werden müssen, wird typischerweise auf der Grundlage des Börsenkurses der Aktie zu einem Zeitpunkt kurz vor Ablauf der Bezugsfrist bestimmt.
Ein Wertpapierprospekt ist bei der hier geschilderten Ausgestaltung der Aktiendividende nicht erforderlich. Ausreichend ist ein wenige Seiten langes prospektbefreiendes Dokument, das die wesentlichen Parameter des Angebots beschreibt, zusammen mit der Einberufung auf der Homepage des Unternehmens veröffentlicht und mit Beschluss der HV entsprechend aktualisiert wird.
Werthaltigkeitsprüfung und Abwicklung
Da es sich bei der Aktiendividende in der Sache um eine Sachkapitalerhöhung handelt (Einbringungsgegenstand ist nicht ein Barbetrag, sondern die Forderung der Aktionäre auf Zahlung der Dividende gegen die Gesellschaft), muss von einem gerichtlich zu bestellenden Prüfer bestätigt werden, dass der Wert der Dividendenansprüche mindestens dem geringsten Ausgabebetrag der Aktien entspricht. Diese Prüfung ist im Zeitplan insbesondere bei der erstmaligen Durchführung der Aktiendividende zu berücksichtigen. Bei einer erstmaligen Prüfung beträgt die Dauer je nach Komplexität des Unternehmens etwa vier Wochen. Sie kann aber parallel zur HV vorbereitet werden. Inhaltlich sind normalerweise keine Bewertungsprobleme zu erwarten, da bei einem dividendenfähigen Unternehmen der Wert des Dividendenanspruchs grundsätzlich dessen Nominalwert entspricht.
Die Abwicklung der Aktiendividende erfolgt über eine die Transaktion begleitende Bank. Sie zeichnet die Aktien zunächst treuhänderisch und reicht sie dann gegen Übertragung der Dividendenansprüche an die Aktionäre weiter. Die neu geschaffenen Aktien müssen zum Handel zugelassen werden – auch dies wird durch die begleitende Bank organisiert.
Überschaubarer Aufwand
Der Aufwand für Emittenten ist überschaubar. Das gilt insbesondere, wenn eingespielte Berater den Prozess begleiten und wenn auf Angebote aus den Vorjahren zurückgegriffen werden kann. Auch bei erstmaliger Nutzung ist aufgrund der zahlreichen Präzedenzfälle eine Durchführung mit geringem Aufwand möglich. Die IR-Abteilungen können meist relativ sicher einschätzen, mit welcher Annahmequote zu rechnen ist.
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