EuGH setzt dem „Forum Shopping“ klare Grenzen
Die prozessuale Privilegierung eines Geschädigten (Forum Shopping) hat bei internationalen Sachverhalten sachliche Grenzen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied jetzt, dass ein deliktischer Gerichtsstand bei einer grenzüberschreitenden Beteiligung mehrerer Täter nicht durch eine wechselseitige Handlungszurechnung begründet werden kann (Az.: C-228/11). „Das ist für alle Arten von Ansprüchen wegen unerlaubter Handlungen bedeutsam, insbesondere aber für den Finanzanlagebereich“, so Silvanne Helle, Prozessrechtsexpertin bei Oppenhoff & Partner.
Im entschiedenen Fall wurde der Kläger aus Berlin von einem in Düsseldorf ansässigen Wertpapierhandelsunternehmen betreut. Es eröffnete für den Kläger bei einer Brokergesellschaft in London ein Konto, über das Börsentermingeschäfte ausgeführt wurden. Nach Vermögensverlusten forderte der Kläger vor dem Landgericht Düsseldorf Schadenersatz von der englischen Gesellschaft wegen Aufklärungspflichtverletzungen der deutschen Gesellschaft und Verschweigen einer „Kick-back“-Vereinbarung. Seine Ansprüche stützte er ausschließlich auf die Behauptung unerlaubter Handlungen.
Grundsätzlich eröffnet das europäische Prozessrecht für deliktische Ansprüche neben dem allgemeinem Gerichtsstand am Sitz des Beklagten einen zusätzlichen Gerichtsstand an dem Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ (Artikel 5 Nr. 3 EuGVVO). „Der Kläger kann also wählen und sich die für ihn vorteilhafteste Prozessordnung aussuchen“, so Helle weiter. Nach deutschem Recht kann sogar aus dem Handlungsort eines mutmaßlichen Schädigers, der nicht Partei des Rechtsstreits ist (in diesem Falle der Wertpapierhändler in Düsseldorf), die gerichtliche Zuständigkeit für einen mutmaßlichen Mittäter hergeleitet werden, der nicht im Bezirk des angerufenen Gerichts tätig geworden ist (die Brokergesellschaft in London).
Der EuGH hat dies nach EU-Recht für nicht zulässig erachtet. Grundsätzlich sei der Schädiger an seinem Wohnsitz zu verklagen. Ausnahmen gälten nur, wenn ein anderes Gericht sachnäher entscheiden könne. Dies sei hier nicht der Fall. Die Europarichter, so die Oppenhoff-Expertin, wollten eine einheitliche Handhabung der Zuständigkeitsregelungen durch die nationalen Gerichte sicherstellen und keine Vervielfältigung von Gerichtsständen mit der Folge von Rechtsunsicherheit.
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