Das Steering Committee als Navigator in der Krise

Wenn ein Unternehmen in internationalen Gewässern in Seenot gerät, benötigt das Management erfahrene Lotsen, die es durch Wind und Wetter begleiten und die zunehmende Internationalität und Komplexität der Gruppen- und Finanzierungsstrukturen meistern können. Worauf es bei einem solchen „Steering Committee“ ankommt, erläutert Peter Hoegen, Partner bei Allen & Overy.

Mit den ersten Anzeichen der heraufziehenden Krise sollte das Management in eine enge Kommunikation mit seinen Finanzierern eintreten. Dies gilt erst recht bei dezentralen Finanzierungsstrukturen, in denen die Finanzierer nicht im Rahmen einer übergreifenden Gläubigervereinbarung eingebunden und einander bekannt sind. Häufig setzt verschärfend der Kredithandel ein und der dem Unternehmen vertraute Finanzierer verkauft seine Forderung gegen einen Risikoabschlag an Trading Desks oder neue Investoren (z. B. Hedge und Opportunity Fonds). Einer etwaigen Destabilisierung beispielsweise durch loan-to-own-Strategien, tritt die Chance gegenüber, dass Alt-Finanzierer, die eine Restrukturierung nicht begleiten können oder wollen, durch konstruktive Mitspieler ausgetauscht werden. Im Schulterschluss mit seinen unterschiedlichen Stakeholdern sollte das Unternehmen in dieser Phase eine aktive Kommunikation betreiben und Prozesse von Beginn an effektiv gestalten. Insbesondere im Falle eines komplexen „Finanzierungscocktails“ werden die Finanzierer selbst die Etablierung eines arbeitsfähigen Ausschusses zur internen und externen Koordinierung anstreben, ein so genannter Lenkungs- oder Koordinierungsausschuss (Steering Committee).

Bildung und Organisation eines Lenkungsausschusses

Der Lenkungsausschuss wird aus dem Kreise der Kreditgeber gebildet und sollte sich trotz unterschiedlichem Risikoprofil in den Dienst aller Kreditgeber stellen, sich also nicht als Vertreter von Partikularinteressen verstehen. Die Mitglieder repräsentieren einerseits die unterschiedlichen Interessen der Kreditgebergruppen und sollten andererseits über die erforderliche Expertise sowie zeitliche und personelle Kapazität verfügen. Arbeitssprache ist nicht selten Englisch. Anleihen stellen schon mangels Ansprech- und damit Sparringspartnern eine besondere Herausforderung dar. Sofern statt eines gemeinsamen Lenkungsausschusses für alle Finanzierer, jede Kreditgebergruppe ihr eigenes Steering Committee bestellt, erschwert dies eine konsensuale Einigung und löst zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand aus. Eine enge Verzahnung des Lenkungsausschusses mit den Agenten der Finanzierungsdokumentation ist transaktionsseitig unverzichtbar, idealerweise sollte ein Agent im Lenkungsausschuss vertreten sein. Im Innenverhältnis sind die Mitglieder des Lenkungsausschusses gleichberechtigt und stimmen nach Köpfen ab, wobei im Regelfall Einstimmigkeit angestrebt wird. Im Außenverhältnis zu den übrigen Finanzierern sind insbesondere Regelungen zur Informationsweitergabe, Vertraulichkeit, Rechtsnachfolge, Kosten und Haftung vorab vertraglich in einem Bestellungsschreiben (SC-Appointment-Letter) festzulegen.

Aufgabe des Ausschusses

In der Krise wird der Lenkungsausschuss Fragestellungen und Aufgaben rund um die Restrukturierung der Unternehmensgruppe auf der Kreditgeberseite koordinieren. Darüber hinaus ist er für das Schuldnerunternehmen, insbesondere den Chief Restructuring Officer, bei der Entwicklung des finanziellen Restrukturierungskonzepts ein wichtiges Sounding Board und bringt gegebenenfalls Überlegungen und Erfahrungen zur erfolgreichen Restrukturierung der Passivseite ein: Zur Abschirmung des Gesellschaftereinflusses kann, z. B. wie im Fall von Merckle, eine so genannte doppelnützige Treuhand in Betracht kommen, auf die die Geschäftsanteile übertragen werden, um bestimmte Exit-Szenarien vorzubereiten. Vom vertraglichen Stillhalten (Standstill-Agreements und Non-Action-Letter) einschließlich (interimistischer)
Verkaufs(selbst)beschränkung (so genanntes Lock-up) zur Stabilisierung über Rangrücktritt, Forderungsverzicht, Forderungsbeschränkung, Schuldübernahme (Debt-Push-up) bis hin zum Kapitalschnitt einschließlich der Umwandlung von Fremdkapital in (Wandel-)Genussrechte oder sogar in Eigenkapital (Debt-Equity-Swap) reichen die Notinstrumente. Um die unterschiedlichen Risikoprofile wert- und interessensgerecht abzubilden, muss vor allem für etwaige Erlöse ein Verteilungsschlüssel (so genannter Wasserfall) in einer alle Finanzierer umspannenden Gläubigervereinbarung gefunden werden, was insbesondere im Falle verschiedener Teilgruppen eine höchst anspruchsvolle Herausforderung für eine konsensuale Restrukturierung sein kann. Die vorgenannten Grundsätze und Instrumente haben sich im Fall Pfleiderer auch im Insolvenzverfahren unter dem ESUG – zum Teil auch erstmalig – bewährt.

Fazit

In einer komplexen Gruppen- und Finanzierungsstruktur übernimmt der Lenkungsausschuss als konstruktiver Begleiter auf dem Weg einer konsensualen Restrukturierung eine wichtige Funktion, auf die das Unternehmen in der Krise zunehmend angewiesen ist. Voraussetzung ist und bleibt jedoch, dass die Finanzierer Kapazitäten haben, sich zu engagieren.

 

Für ihr Beratungsmandat zur Restrukturierung der Pfleiderer-Gruppe hat die Sozietät Allen & Overy den diesjährigen PLATOW Recht Award erhalten. Mehr zur Verleihung am 24.4.13 erfahren Sie unter hier.

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