BGH stärkt Vermieterrechte bei Eigenbedarf
Der Bundesgerichtshof beantwortet erneut Fragen zum Kündigungsgrund „Eigenbedarf“: Kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu Gunsten eines ihrer Gesellschafter oder deren Angehöriger Eigenbedarf geltend machen? Und wenn ja, muss eine freie Wohnung angeboten werden? Zweimal Ja, sagt der Bundesgerichtshof. Die Kündigung der GbR wegen Eigenbedarfs für einen Gesellschafter ist möglich und nicht unwirksam, wenn der Vermieter verfügbare Alternativwohnungen nicht anbietet. Der Mieter ist lediglich auf Schadensersatz zu verweisen. Andreas Griebel, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Rödl & Partner, zu den Hintergründen des BHG-Urteils.
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Der Sachverhalt
Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete, aus vier Gesellschaftern bestehende GbR. Die Mieter wohnen seit 1985 in der streitgegenständlichen Wohnung. Die Parteien streiten um die Räumung der Wohnung nach einer Eigenbedarfskündigung, die die GbR zu Gunsten der Tochter eines ihrer Gesellschafter ausgesprochen hat. Die Mieter sind der Kündigung entgegengetreten. Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung abgewiesen. Auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH sei die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, weil die GbR versäumt habe, eine seit April 2014 leerstehende Wohnung anzubieten. Das Landgericht ließ diese Frage unbeantwortet und entschied dem BGH entgegentretend, dass die Kündigung wegen Eigenbedarfs durch die GbR schon unmöglich sei. Die Argumentation: Eine GbR sollte keinen Eigenbedarf anmelden können, alles andere bedeute für die Mieter „ein erhöhtes, schwerer überschaubares Risiko“.
Die Ausgangslage
Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist dann, wenn sich die Mieter im Übrigen pflichtgemäß verhalten, der am meisten verwendete Kündigungsgrund. Gleichzeitig wird keiner anderen Kündigungsart so oft widersprochen. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht den Zivilgerichten in mehreren Entscheidungen einen roten Faden vorgegeben: die Gerichte haben vernünftige und nachvollziehbare Selbstnutzungswünsche des Vermieters zu respektieren (BVerfG, Az: 1 BvR 308/88). Gleichzeitig hat der BGH die formalen Anforderungen an eine solche Kündigung zum Mieterschutz stets betont und somit weitere Voraussetzungen geschaffen. Eigenbedarfskündigungen scheiterten in der Folge meistens nicht dem Grunde nach, sondern weil der Vermieter diese Formalitäten, wie z. B. das Anbieten einer freien Alternativwohnung, nicht eingehalten hatte.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH bestätigt seine Auffassung, wonach auch GbR-Gesellschafter Eigenbedarf geltend machen können, denn die GbR ist in allen wesentlichen Punkten einer Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft vergleichbar. Durch die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer GbR sind zwar nicht mehr die Gesellschafter als natürliche Personen Vermieter, sondern die Gesellschaft selbst. Grundsätzlich ist der auf natürliche Personen zugeschnittene Kündigungstatbestand „Eigenbedarf“ also nicht mehr direkt anwendbar. Die Interessenlage hat sich aber nach Auffassung des BGH nicht verändert. Insbesondere habe die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit einer GbR nicht zum Ziel, die ihr bis dahin zukommende Rechtsposition zu beschneiden.
Bezüglich der vom Amtsgericht bejahten Frage, ob die Eigenbedarfskündigung der Vermieterin durch das unterlassene Anbieten einer im selben Anwesen gelegenen Wohnung rechtsmissbräuchlich ist, hat der BGH in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass dies nicht die Unwirksamkeit zur Folge hat. Ein Vermieter ist verpflichtet, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, da die Wohnung der Mittelpunkt der persönlichen Existenz eines Menschen ist. Der Vermieter hat dem betroffenen Mieter deshalb eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet. Allerdings hält der Senat nicht länger daran fest, dass die Verletzung einer solchen Anbietpflicht die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zur Folge hat. Vielmehr zieht eine Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten lediglich Schadensersatzansprüche nach sich. Dem Mieter können daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.
Die Bedeutung für die Praxis
Der Vermieter hat dem betroffenen Mieter also nach wie vor eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung anzubieten. Unterlässt er das, stehen dem Mieter Ersatzansprüche für hierdurch entstandene Schäden zu. Zukünftig wird der Vermieter im Falle einer Alternativwohnung also rein wirtschaftlich abwägen zwischen dem Risiko des Entdecktwerdens und dem Anbieten an den zu kündigenden Mieter. Das prozessuale Risiko im ersten Falle trägt dabei allein der Mieter, dem es schwer fallen wird, seine Ansprüche darlegen und beweisen zu können. Zu Recht ist deshalb zu thematisieren, ob das nicht Missbrauch fördert: In dem bewussten Unterlassen des Anbietens einer vergleichbaren Wohnung zeigt sich doch gerade das eigentliche Nichtvorliegen des Selbstnutzungswunsches. Das hat der BGH seinerseits bei vorgeschobenem Eigenbedarf erst in seinem Beschluss vom 11.10.2016, Az.: VIII ZR 300/15 sanktioniert. Es bleibt also spannend.
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