Rechtsrisiko Brexit in laufenden M&A-Deals

Die mit dem anstehenden Referendum über den Brexit verbundene Möglichkeit des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat schon jetzt Relevanz in laufenden M&A-Transaktionen. Mögliche Risiken sollten durch Anpassungsklauseln bei Währungsschwankungen sowie über präzise Material Adverse Change-Klauseln aufgenommen werden. Zudem sollte die Geltung deutschen Rechts für grenzüberschreitende Kaufverträge bei Unternehmenstransaktionen nicht leichtfertig aufgegeben werden, erläutern Nils Krause und Benjamin Parameswaran, beide Partner bei der Kanzlei DLA Piper.

Am 23.6.16 wird das Vereinigte Königreich (UK) über den möglichen Brexit, also den Austritt der drittgrößten europäischen Wirtschaftskraft aus der Europäischen Union (EU), abstimmen. Auf dem jüngsten EU-Gipfel hat Brüssel zwar Zugeständnisse an Großbritannien gemacht, um den Verbleib des UK in der EU zu sichern. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen von Gegnern wie Befürwortern und ca. 20% noch unentschlossenen Wahlberechtigten bleibt das Risiko eines Austritts nicht unwahrscheinlich. Die Diskussion um den Brexit konzentriert sich bislang maßgeblich auf die wirtschaftlichen Folgen. Dabei ist schon jetzt das Risiko in laufende Verhandlungen bei grenzüberschreitenden Unternehmenskaufverträgen aufzunehmen.

In einem Markumfeld, in dem feste Kaufpreise dominieren, einigen sich die Parteien nicht selten auf gefixte Währungsumrechnungen, die häufig auf den Tag der Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrages abstellen. Diese Praxis ist zwar auch unabhängig vom Brexit kritisch zu sehen. Bis zum Referendum wird es aber nunmehr darauf ankommen, Anpassungsklauseln zur Reflektion von Währungsschwankungen aufzunehmen. Maßgeblich sollten Umrechnungskurse unter Bezugnahme auf einen Bankarbeitstag vor dem Tag, an dem die relevante Zahlung auszuführen ist, sein. Referenzpunkte können die jeweiligen Umrechnungskurse der Europäischen Zentralbank oder beispielsweise von Reuters bilden.

Allein mit einer Anpassungsklausel für Währungsschwankungen ist das Brexit-Risiko in einem Unternehmenskaufvertrag aber noch nicht hinreichend reflektiert. Vielmehr sollte der Brexit aktuell in so genannten Material Adverse Change (MAC)-Klauseln berücksichtigt werden. MAC-Klauseln reflektieren „wesentlich nachteilige Änderungen““ zwischen Vertragsschluss und Vollzug des Vertrages. Durch die Terroranschläge vom 11.9.01 in den USA haben viele Käufer leidvoll erfahren, dass sie ohne eine spezifische Absicherung das wirtschaftliche Risiko einer wesentlichen Verschlechterung der Zielgesellschaft durch ein verändertes Marktumfeld in dem vorgenannten Zeitraum tragen. Die wirtschaftlichen Folgen nach einem Brexit können – abhängig von den Details der jeweiligen Transaktion – durchaus eine solche wesentliche nachteilige Veränderung darstellen.

Material Adverse Change Klauseln

Im derzeit verkäuferdominierten Markt ist es zwar schwer, eine MAC-Klausel in den Unternehmenskaufvertrag zu verhandeln, da sie die Transaktionssicherheit des Verkäufers gefährdet. Auf Grund des Brexit-Risikos sollte dieser Punkt in laufenden Verhandlungen aber nicht unberücksichtigt bleiben. Hier kann ein Kompromiss zwischen Käufer und Verkäufer eine möglichst eng gefasste MAC-Klausel bezogen auf den Brexit sein. Maßstab der Wesentlichkeit der Veränderung kann dabei z.B. die zu erwartende Veränderung des britischen Pfunds gegenüber dem Euro sein. Bei den Folgen des Brexits handelt es sich zwar um allgemeine Marktveränderungen und eben nicht um einen unternehmensspezifischen Vorgang. Häufig ist diese Unterscheidung jedoch irrelevant, da sich externe und interne Vorgänge wirtschaftlich schwer abgrenzen lassen. Zudem erscheint es wenig plausibel, warum allein eine Partei (regelmäßig der Käufer) ein solches Marktrisiko, für das eben keine der Parteien kausal verantwortlich ist, bis zum Vollzug des Vertrags tragen sollte.

Sofern eine Partei in einer laufenden Transaktion bereits eine MAC-Klausel mit direktem oder indirektem Bezug auf den Brexit in einem Finanzierungsvertrag vereinbart hat, sollte in laufenden M&A Verhandlungen zudem darauf geachtet werden, dass diese MAC-Klausel zwingend im Unternehmenskaufvertrag gespiegelt wird, da andernfalls die jeweilige Partei dem Risiko ausgesetzt wird, die Finanzierung nicht zu erhalten, aber unter dem Unternehmenskaufvertrag zur Zahlung verpflichtet bleibt.

Schließlich sind jetzt Rechtswahlklauseln in Bezug auf Großbritannien verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Vielzahl von europäischen M&A-Verträgen unterliegt englischem Recht. Problematisch ist diesbezüglich, dass die Streitigkeiten aus einem Unternehmenskaufvertrag erst einige Zeit nach Vertragsschluss beginnen. Sofern englisches Recht und englische Gerichte, die typischerweise bei UK-Transaktionen gewählt werden, für künftige Fälle zuständig wären, wird der grenzüberschreitende Streit in einem Rechtskreis ausgetragen, der sich als Folge des Brexit unter Umständen von der EU abgekoppelt hat. Insofern können die Parteien Unwägbarkeiten in Bezug zum englischen Recht durch die Vereinbarung deutschen oder neutralen Rechts begegnen, wobei eine solche Rechtswahl lediglich die schuldrechtliche Komponente einer Transaktion betrifft. Für den dinglichen Vollzug (z.B. Übertragung von Geschäftsanteilen) ist stets das am Sitz der Zielgesellschaft geltende Recht maßgeblich.

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