Pharmabranche muss künftig höhere Bußgelder fürchten
Das Gericht der Europäischen Union hat am 1.7.10 eine von der EU-Kommission im Jahr 2005 verhängte Bußgeldentscheidung gegen den Pharmakonzern AstraZeneca im Grundsatz bestätigt. Das Gericht folgte damit den Brüsseler Wettbewerbshütern in ihrer Einschätzung, dass AstraZeneca seine Marktmacht missbraucht habe, als es mit unrichtigen Angaben bei Patentämtern einen längeren Patentschutz für das „Blockbuster“-Medikament Losec erreicht und so billigere Nachahmerprodukte am Markteintritt gehindert hat.
Auch die teilweise Zurücknahme der Marktzulassung für Losec-Kapseln bei gleichzeitiger Beantragung der Zulassung für Losec-Tabletten sei missbräuchlich im Sinne des Kartellrechts gewesen. Das Gericht reduzierte allerdings die Höhe der Strafe von 60 Mio. auf 52,5 Mio. Euro, weil die Kommission nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass AstraZeneca auch günstigere Parallelimporte unterbunden hat.
Das Urteil ist ein klarer Sieg für die EU-Kommission. Die Brüsseler Wettbewerbshüter haben schon seit längerer Zeit ihr Augenmerk auf die Pharmamärkte gerichtet. In dem 2009 veröffentlichten Abschlussbericht zur Sektorenuntersuchung Pharma hatte die Behörde eine Reihe von Maßnahmen von Originalpräparateherstellern identifiziert, die diese typischerweise zur Abwehr von aufkommendem Generika-Wettbewerb einsetzen, darunter auch die im AstraZeneca-Fall relevanten Verhaltensweisen. „Unternehmen sind gut beraten, derlei Strategien nunmehr noch aufmerksamer zu prüfen“, meint Marc Schweda, Partner und Kartellrechtsexperte der Kanzlei Hogan Lovells. Denn die Kommission hatte im Fall AstraZeneca kartellrechtliches Neuland betreten und daher ganz bewusst ein vergleichsweise niedriges Bußgeld verhängt. „Es ist damit zu rechnen, dass die Bußgelder in künftigen Fällen deutlich höher ausfallen“, meint Schweda. Für die Hersteller werden damit die Spielräume enger, mit denen sie sich gegen Generika-Unternehmen zur Wehr setzen können. Das Urteil darf aber auch nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Hersteller von Originalpräparaten den Generika-Wettbewerb aktiv fördern müssen. „Das Gericht hat sehr wohl anerkannt, dass auch ein Marktbeherrscher legitimerweise Strategien erarbeiten darf, um sich aufkommendem Wettbewerb durch Nachahmerprodukte zu erwehren“, betont Schweda. „Er muss sich dabei aber wettbewerbskonformer Mittel bedienen. Die Kunst liegt darin, hier die richtige Grenze zu ziehen.“
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