Reformbedarf – Wie geht „Arbeit von morgen“?
Deutschland hat eine Dekade steten Wirtschaftswachstums erlebt, die Arbeitslosigkeit ist auf ein historisches Tief gesunken. Dennoch stehen Unternehmen wie Arbeitnehmer vor enormen Herausforderungen. Die Digitalisierung sowie der Schwenk zu einer emissionsärmeren Wirtschaft und Lebensweise führen zu tiefgreifenden strukturellen Änderungen. Eine stagnierende Weltkonjunktur erhöht den Anpassungsdruck. Als Reaktion auf die Transformation des Arbeitsmarktes hat das Bundesarbeitsministerium den Entwurf eines „Ersten Gesetzes zur Arbeit von morgen“ vorgelegt. Schon der Titel legt nahe, dass weitere Gesetzesinitiativen folgen können, wie Ralf-Dietrich Tiesler, Partner der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler, erläutert.
Bei dem Gesetz geht es generell darum, die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik weiterzuentwickeln, um lebenslanges Lernen, Weiterbildung und Qualifizierung zu fördern. In Krisensituationen mit erheblichen Folgen für ganze Branchen oder Regionen soll die Bundesregierung kurzfristig Sonderregelungen einführen können. Ein wesentliches Thema dabei: die Kurzarbeit. Durch Verordnung soll bestimmt werden können, die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von zwölf auf bis zu 24 Monate zu verlängern und die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung für die Dauer der Kurzarbeit ganz oder teilweise zu erstatten. Der Anteil der Mitarbeiter, die in einem Betrieb von Kurzarbeit betroffen sein müssen, soll gesenkt werden können.
Das Gesetz soll unmittelbar einen Anreiz setzen, Kurzarbeit für die Weiterbildung der Arbeitnehmer zu nutzen. Wenn die Arbeitszeit um mindestens 50% reduziert wird und die Arbeitnehmer an einer förderungsfähigen Weiterbildung teilnehmen, soll dem Arbeitgeber die Hälfte seiner Beiträge zur Sozialversicherung erstattet werden.
Weiterbildung in einer Transfergesellschaft
Berufliche Weiterbildung während des Bezugs von Kurzarbeitergeld in einer Transfergesellschaft soll stärker gefördert werden. Sie soll nicht länger auf Ältere und Geringqualifizierte beschränkt bleiben, sondern für alle Arbeitnehmer möglich sein. Weiterbildungsmaßnahmen, die über die Zeit des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld hinausgehen, wurden bisher nur gefördert, wenn es darum ging, einen Abschluss in einem Ausbildungsberuf nachzuholen. Dies wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Voraussetzung für die verlängerte Förderung ist, dass die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung spätestens drei Monate oder bei länger als einem Jahr dauernden Maßnahmen spätestens sechs Monate vor der Ausschöpfung des Anspruchs auf Transferkurzarbeitergeld beginnt und der Arbeitgeber während des Bezugs von Kurzarbeitergeld mindestens 50% (25% in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten) der Lehrgangskosten trägt.
Transformationszuschuss / Perspektivqualifizierung
Das so genannte Qualifizierungschancengesetz hat bereits mit Wirkung ab 1.1.19 die Weiterbildungsförderung für Arbeitnehmer verbessert, deren berufliche Tätigkeiten durch neue Technologien ersetzt werden könnten, die anderweitig vom Strukturwandel bedroht sind oder die eine Weiterbildung in einem Engpassberuf anstreben. Nun sollen die Zuschüsse pauschal um 20% erhöht werden („Transformationszuschuss“), wenn mindestens 10% der Beschäftigten in den nächsten drei Jahren den betrieblichen Anforderungen voraussichtlich nicht oder teilweise nicht mehr gewachsen sein werden. Voraussetzung soll sein, dass die Betriebsparteien gemeinsam einen Qualifizierungsplan aufgestellt haben und die Bundesagentur für Arbeit sie hierbei beraten hat. Gibt es keinen Betriebsrat, soll der Arbeitgeber den Plan nach Beratung durch die Bundesagentur alleine aufstellen.
Rechtsanspruch auf Berufsabschlussförderung
Erstmals soll ein Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Förderung einer beruflichen Weiterbildung zur Erreichung eines Berufsabschlusses geschaffen werden. Voraussetzung hierfür soll sein, dass der Arbeitnehmer über keinen Berufsabschluss verfügt oder auf Basis eines erworbenen Abschlusses keine Tätigkeit mehr ausüben kann. Für den angestrebten Beruf soll er geeignet sein und damit seine Beschäftigungschancen verbessern. Dies soll vor allem Geringqualifizierten zugutekommen.
Die 2015 zunächst befristet eingeführte so genannte Assistierte Ausbildung soll nun dauerhaft in das Sozialgesetzbuch (SGB) III aufgenommen werden. Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit schlechten Zeugnissen sollen dadurch bessere Chancen bekommen, einen Ausbildungsplatz zu finden und die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Nach Abschluss einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme sollen Arbeitslose künftig für die Dauer von mindestens drei Monaten Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.
Fazit
Die Richtung, die das neue Gesetzesvorhaben einschlägt, stimmt. In den Krisenjahren 2008/2009 war das Kurzarbeitergeld ein wichtiges Instrument, um Arbeitsplätze zu erhalten. Aus- und Weiterbildung müssen mit den steigenden Anforderungen am Arbeitsmarkt Schritt halten. Gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass der bürokratische Aufwand für Unternehmen, die zusätzliche Fördermittel abrufen wollen, so gering wie möglich bleibt.
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