Gegen Hass im Netz – Gesetzesentwurf lässt viele Fragen offen
Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der Anschlag in Halle, der Amoklauf in Hanau – die Liste politisch und insbesondere rassistisch motivierter Terrorakte wird immer länger und stellt dennoch nur die Spitze des Eisberges dar. Die zunehmende Verrohung im Netz und der „alltägliche“ Hass drängen die Politik zum Handeln.
Ein aktueller Regierungsentwurf zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungs- und des Telemediengesetzes macht es sich zur Aufgabe, Hasskriminalität und Rechtsextremismus zu bekämpfen. Inwieweit ein Gesetz einem solchen Anspruch überhaupt gerecht werden kann, wird jedoch mit Skepsis betrachtet. Strafverfolgungsbehörden sollen im Vorfeld von Ermittlungen mehr Informationen erhalten und strafrechtliche Verstöße durch Postings in sozialen Medien aufspüren und verfolgen. Umstritten ist, inwieweit neue Pflichten für Netzwerkbetreiber dazu entscheidend beitragen können.
Nach dem Entwurf sollen Anbieter sozialer Netzwerke Inhalte wie strafbare Gewaltdrohungen oder Volksverhetzung künftig auf Nutzerhinweis nicht nur sperren, sondern an das Bundeskriminalamt (BKA) übermitteln. Gleichzeitig sollen sie die dazu gehörenden Verkehrsdaten (IP-Adressen und Portnummern) angeben, beides ohne Anforderung im Einzelfall. „Strafverfolgung als Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit ist Sache des Staates. Daher wird intensiv diskutiert, in welchem Umfang die Betreiber Daten im Vorfeld von Ermittlungen übermitteln müssen“, so Fabian Seip, Counsel im Berliner Büro der Kanzlei Hengeler Mueller. Datenschutzbefürworter geben zu bedenken, dass auf Grund eines gemeldeten Postings die
vorangegangene Internetnutzung des Betroffenen geprüft werden könnte. Wer das befürchten muss, informiert und äußert sich möglicherweise nicht mehr frei – das wäre ein „chilling effect“ zu Lasten der Informations- und Meinungsfreiheit. Es sei auch nicht gesagt, dass die Datenmengen, die so bei staatlichen Stellen landen würden, dort ausreichend sicher vor Cyberangriffen oder Missbrauch wären.
IT-Sicherheit legt Hürden hoch
Weiter sollen alle Telemediendienste bei Verdacht auf besonders schwere Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren Passwörter an Strafverfolger oder Nachrichtendienste
herausgeben. Dafür braucht es in der Regel einen Richterbeschluss, aber nicht immer. Betroffene erfahren davon nichts. Anbieter, die technische und organisatorische Maßnahmen zum Datenschutz so ernst nehmen wie es die Datenschutzgrundverordnung verlangt, speichern Nutzerpasswörter allerdings verschlüsselt. Sie sind dann für die staatlichen Stellen nutzlos, es sei denn, im nächsten Schritt würde eine Entschlüsselungspflicht eingeführt. „Das wäre allerdings mit den Grundregeln der allgemeinen IT-Sicherheit schwer in Einklang zu bringen“, so Seip. Wie neuerdings immer häufiger im Bereich der IT-Regulierung sieht der Entwurf geharnischte Bußgelder vor – bis zu 50 Mio. Euro.
Einige weniger kontroverse Aspekte enthält der Entwurf aber auch: Das Bundesmeldegesetz soll angepasst werden, damit Opfer von Hass-Postings leichter eine Auskunftssperre erwirken können. Das soll es möglichen Tätern erschweren, die Anschrift ihrer potenziellen Opfer zu erhalten. Bevor der Entwurf Gesetz wird, braucht es noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.
ARTIKEL DIESER AUSGABE
Osborne Clarke und Raue begleiten DB-Einstieg bei Volocopter
Die Volocopter GmbH, ein Anbieter so genannter Urban Air Mobility mit Sitz in Bruchsal, hat seine Series-C-Finanzierungsrunde erweitert und mit dem Logistikdienstleister DB Schenker einen... mehr
Koreanische Onejoon entert mit CMS europäischen Markt
Die koreanische Onejoon Thermal Solutions hat den Industrieofen-Spezialisten Eisenmann Thermal Solutions übernommen. Eisenmann Thermal Solutions war zuvor Teil der Eisenmann-Gruppe, die... mehr
Airbus greift mit Freshfields bei Bombardier zu
Der Luftfahrtkonzern Airbus hat sich mit dem kanadischen Flugzeug- und Eisenbahnbauer Bombardier und der Regierung der Provinz Québec auf eine neue Eigentümerstruktur des A220-Projekts... mehr
Private Placements – Nicht nur etwas für US-Techs
Privatplatzierungen von Aktien bei Investoren im Vorfeld des Börsengangs gehören bei Tech-IPOs nicht nur in den USA, sondern auch zunehmend in Europa zum Standard-Repertoire. Dabei sind... mehr
Geldwäschebeauftragte verzweifelt gesucht
Banken, Versicherungen oder Vermögensverwaltern fällt es immer schwerer, ihre offenen Positionen für Geldwäschebeauftragte adäquat zu besetzen. Woran das liegt, worauf Bewerber achten... mehr
Arqis holt neuen Arbeitsrechts-Partner an Bord
Zum 1.3.20 hat sich das Düsseldorfer Büro der Kanzlei Arqis mit dem Arbeitsrechtler Tobias Neufeld verstärkt. Der 46-Jährige steigt als Equity-Partner ein und war bis zur Gründung... mehr
Rödl & Partner fusioniert mit dänischer Henckel & Witt
Rödl & Partner expandiert in Dänemark und schließt sich mit der Kopenhagener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Henckel & Witt zusammen, die damit künftig unter Rödl & Partner Danmark... mehr
Luther baut Vergaberechtspraxis am Standort Essen aus
Bereits zum 1.2.20 begrüßte die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft einen Partnerneuzugang. mehr
Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten – BFH ändert mit neuem Urteil bisherige Rechtsprechung
Mit Urteil vom 27.11.19 (Az.: V R 23/19), das am 6.2.20 veröffentlicht wurde, hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten... mehr