M&A-Transaktionen im Fadenkreuz der Behörden
DRITTSTAATen-SUBVENTIONEN _ Unternehmenskäufe stehen seit Jahren im Fokus der Wettbewerbshüter. Neben dem traditionellen Eingriffsinstrument der Fusionskontrolle bestehen weitere Tools, um Einfluss auf Transaktionen zu nehmen. Die EU-Kommission will nun auch Subventionen aus Drittstaaten in den Blick nehmen. Was die Kommission daran stört, erläutern Marius Boewe und Marcel Nuys, Partner bei Herbert Smith Freehills.
Wenn es um den Schutz relevanter Industrien geht, schauen die Staaten Europas mittlerweile deutlich genauer hin: Erst vor wenigen Wochen ist in Deutschland die Außenwirtschaftsverordnung erneut geändert worden (s. a. PLATOW Recht v. 19.5.). Sie gibt der Bundesregierung Kontroll- und Untersagungsrechte zu Transaktionen, an denen Unternehmen in Deutschland beteiligt sind. Eine ähnliche Entwicklung ist in vielen anderen EU-Staaten zu beobachten, was nicht zuletzt durch eine europäische Rahmenverordnung forciert wird. Und selbst die althergebrachte Fusionskontrolle bleibt vor Änderungen nicht verschont. Die EU-Kommission hat hier ihre Verweisungspraxis grundlegend überarbeitet. Zukünftig können die EU-Staaten auch Transaktionen, die weder in der EU noch bei den Mitgliedstaaten anzumelden wären, zur Prüfung nach Brüssel verweisen – und dies sogar noch nach dem Closing.
Wettbewerbsverzerrende Drittstaaten-Subventionen?
Nun plant die EU-Kommission weitere Neuerungen mit Blick auf Drittstaaten-Subventionen. Hier meint sie Regelungslücken ausgemacht zu haben: Möglicherweise wettbewerbsverzerrende Drittstaaten-Subventionen könnten, so die EU-Kommission, mit dem traditionellen Toolkit aus Fusionskontrolle, Außenwirtschaftsrecht und EU-Beihilferecht nicht erfasst werden. Zuwendungen aus Nicht-EU-Staaten könnten bisher nur im Rahmen von WTO-Verfahren überprüft werden; die seien aber schon aufgrund ihrer Dauer kein adäquates Mittel, um fallspezifisch zu reagieren.
Was die EU-Kommission vor Augen hat, lässt sich anhand des Vergaberechts verdeutlichen. Im Vergabeverfahren erhält in der Regel der günstigste Bieter den Zuschlag. Da hieran auch Nicht-EU-Bieter teilnehmen können, die nicht dem EU-Beihilferecht unterliegen, haben diese bislang einen denkbaren Vorteil. Denn deren Angebot kann theoretisch bislang sanktionslos durch Drittstaaten subventioniert sein.
Um die vermeintliche Regelungslücke zu schließen, hat Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Anfang Mai einen Vorschlag für eine neue Verordnung vorgelegt. Danach soll die EU-Kommission untersuchen dürfen, ob der Wettbewerb in der EU dadurch verfälscht wird, dass Unternehmen durch Staaten außerhalb der EU subventioniert werden und hierdurch ein ungerechtfertigter Vorteil im Zusammenhang mit Transaktionen, Vergabeverfahren oder sonstigen Tätigkeiten gegenüber anderen Wettbewerbern entsteht.
Zur Kontrolle soll die EU-Kommission drei Instrumente an die Hand bekommen: 1. Es soll eine Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen geben, wenn der EU-Umsatz eines beteilig-ten Unternehmens mindestens 500 Mio. Euro und die drittstaatliche Subvention mehr als 50 Mio. Euro beträgt. 2. Bei öffentlichen Vergabeverfahren soll eine Meldepflicht bestehen, wenn eine drittstaatliche Zuwendung gewährt wurde und der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Mio. Euro beträgt. 3. Die EU-Kommission soll auch dann, wenn die vorgenannten Schwellen nicht erreicht sind, im Wege eines allgemeinen Marktuntersuchungsinstruments eine Ad-hoc-Prüfung einleiten können.
In der Sache prüft die EU-Kommission, ob die Subvention durch den Drittstaat den Binnenmarkt verzerrt. Hier wird zu erwarten sein, dass eine an die Fusionskontrolle angelehnte Prüfung erfolgen wird. Es werden grundsätzlich keine Beihilfearten oder Sektoren privilegiert, d. h., jede staatliche Zuwendung, die die allgemeinen Kriterien erfüllt und nicht älter als drei Jahre ist, gilt als Beihilfe und kann zu einer Anmeldepflicht führen.
Sprengpotenzial für M&A-Transaktionen
Alle drei Instrumente bergen erhebliches Sprengpotenzial für M&A-Transaktionen und Investitionen: Für die Prüfung werden der EU-Kommission mehrere Monate eingeräumt. Bis zum Abschluss des Prüfverfahrens soll ein Vollzugsverbot nach fusionskontrollrechtlichem Vorbild bestehen – sprich: die Transaktion darf nicht vollzogen werden, solange die Prüfung andauert. Auch im Vergaberecht soll der Zuschlag erst nach Abschluss der Prüfung erteilt werden dürfen. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, entsteht eine erhebliche (weitere) regulatorische Hürde im Rahmen von Inbound-Transaktionen. Erwerber müssten in Zukunft diesen Aspekt von vornherein aktiv prüfen und bewerten. Gerade im Rahmen von Auktionsverfahren kann die entstehende Transaktionsunsicherheit zum entscheidenden Nachteil für einen Bieter werden.
Aus wirtschaftspolitischer Perspektive der EU-Kommission mag der Vorstoß nachvollziehbar sein, da ein Level Playing Field erreicht werden soll. Ob die Verordnung indes tatsächlich geeignet ist, eine Wettbewerbsverbesserung zu erreichen, ohne Investoren zu verschrecken, bleibt abzuwarten. Soll das vermieden werden, kommt es in jedem Fall darauf an, dass die Prüfungen so effektiv ausgestaltet werden, dass Investoren und Bieter aus Drittstaaten nicht allein durch die mögliche zeitliche Verzögerung von Investitionen in der EU absehen.
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