Drei Fragen an ...

Was hat sich bei Buy-out- und Unternehmensfinanzierungen geändert, Herr Ingenhoven?

Thomas Ingenhoven © Milbank
Thomas Ingenhoven © Milbank

Seit der Zinswende gehen die Neukreditvolumina je nach Branche teils massiv zurück, auch die Konditionen werden strenger. Das betrifft nicht nur die spärlich gewordenen fremdfinanzierten Übernahmen (Leveraged Buy-outs), sondern auch die laufende Corporate-Finanzierung und Refinanzierung. Zwar haben sich viele in den Jahren der Niedrigzinspolitik langfristig und zu günstigen Konditionen finanziert – aber eben nicht alle. Wer heute auf die Suche nach frischem Geld geht, muss sich in einem grundlegend anderen Umfeld zurechtfinden.

Herr Ingenhoven, wie haben sich Buy-out-Finanzierungen und Unternehmens(re-)finanzierungen in den vergangenen zwölf Monaten verändert?

Thomas Ingenhoven: Aktuelle Finanzierungen spiegeln natürlich die veränderten Gegebenheiten im Markt wider. Der EURIBOR hat sich in den letzten zwei Jahren etwa vervierfacht und auch die Zinsmargen haben sich erhöht. Neben den Finanzierungskosten sind Energie-, Rohstoff- und Lohnkosten enorm gestiegen, dazu kommt noch die allgemeine Inflation. Dies führt zu konservativen Finanzierungsstrukturen mit kleineren Finanzierungsvolumina und geringerem Nettoverschuldungsgrad.

Kreditgeber bestehen zunehmend wieder auf die zwangsweise Absicherung von Zinsrisiken unter den Kreditverträgen, sogenanntes Mandatory Hedging, denn überraschend viele Kreditnehmer haben in den Niedrigzinsjahren die Kosten des Hedging gescheut und sind das Risiko steigender Zinsen eingegangen, welches sich nun realisiert. Auch in sonstigen Bestandteilen wurden die Kreditvertragsdokumentationen strenger. Kreditgeber lassen sich weitergehende Mitspracherechte, insbesondere bei größeren Unternehmens-Zukäufen und anderen wesentlichen Transaktionen, einräumen und schauen bei der Berechnung der Finanzkennzahlen wesentlich genauer hin. Insbesondere sogenannte „Normalisierungen“ bei der Bestimmung wesentlicher Finanzkennzahlen, etwa des EBITDA, werden öfters betraglich gekappt und einer Überprüfung durch Externe unterworfen.

Dies sind nur einige Symptome der strengeren Dokumentationspraxis, die wir in letzter Zeit beobachten können. Ein wirkliches Ungleichgewicht ist in unserer Wahrnehmung dadurch nicht entstanden. Kreditgeber nehmen weiterhin Rücksicht auf die legitimen Belange der Kreditnehmer und geben Flexibilität zur stabilen Entwicklung eines Unternehmens, während Kreditnehmer bereit sind, sich von alten Dokumentationsstandards zu verabschieden.

Agieren Debt-Fonds dabei anders als traditionelle Kreditgeber, sprich Banken?

Das sollte man eigentlich meinen. Tatsächlich aber sind die Unterschiede bei näherem Hinsehen gar nicht so gravierend. Für den wirtschaftlichen Erfolg beider Kreditgeber-Klassen ist es entscheidend, dass die Rückzahlung der Darlehensvaluta gesichert ist. Zur Erreichung des Zieles fordern Banken wie Debt Fonds eine sehr ähnliche Kreditvertragsdokumentation, die die Entwicklung der Kreditnehmer-Gruppe während der Laufzeit der Darlehen lenken und begrenzen soll. Hierfür werden besonders wesentliche und risikoreiche Vorgänge beschränkt, wie beispielsweise weitere Unternehmensakquisitionen, Veräußerungen von Anlagevermögen und Unternehmensteilen, die Aufnahme weiterer Finanzverbindlichkeiten. Außerdem werden Frühwarnsysteme installiert, insbesondere durch während der Laufzeit einzuhaltende Finanzkennzahlen, die die Parteien bei einer Fehlentwicklung frühzeitig an den Verhandlungstisch zwingen und den Kreditgebern Eingriffsmöglichkeiten gewähren.

Der Risikoappetit von Debt Fonds ist allerdings um einiges höher, da die Renditeerwartungen sehr hoch sind und – anders als bei traditionellen Banken – keine oder nur sehr geringe regulatorische Beschränkungen bestehen. Ein wesentlicher Unterschied in der Herangehensweise zwischen traditionellen Banken und Debt Fonds besteht oft darin, dass Debt Fonds in Mid-Cap Finanzierungen (bis zu einem Volumen von ca. EUR 500 Million) den Anspruch haben, nahezu das gesamte Finanzierungsvolumen allein zu stellen. Meist wird eine komplementäre Betriebsmittelfinanzierung für das Unternehmen zugelassen und verschiedentlich auch Co-Investoren mit kleineren Beteiligungen in der Laufzeittranche.

Der grundsätzliche Anspruch des Debt Fonds bleibt es aber, der Kreditgeber zu sein, der bei allen wesentlichen Entscheidungen des Konsortiums die erforderliche Mehrheit stellt. Dies ist Grundvoraussetzung für die Bereitschaft des Debt Fonds, ein meist höheres Kreditvolumen zu stellen und einen höheren Verschuldungsgrad zu akzeptieren. Kommt es später zu Schieflagen, so können Debt Fonds wesentlich flexibler und autonomer entscheiden, um die Kreditfinanzierung anzupassen oder im schlimmsten Fall die Verwertung der gestellten Sicherheiten zu betreiben.

Private-Equity-Portfoliogesellschaften haben teils hohe Schuldenlasten aus den Jahren vor der Zinswende zu tragen. Wie real ist das Risiko einer bevorstehenden „Debt Maturity Wall“ und wie begrenzen Investoren und Kreditgeber die Risiken bei der Refinanzierung?

In den vergangenen 15 Jahren ist schon häufiger von einer „Debt Maturity Wall“ die Rede gewesen, wobei sich die Befürchtungen meiner Einschätzung nach als unbegründet erwiesen haben. Schon nach der letzten großen Finanzkrise, die ihren ersten Höhepunkt mit der Lehman-Insolvenz im September 2008 hatte, war befürchtet worden, dass die Finanzierungen aus den Jahrgängen unmittelbar vor der Finanzkrise in den Jahren 2012 bis 2014 kaum zu refinanzieren seien; tatsächlich waren aber hinreichende neue Finanzierungen erhältlich. Auch in der jetzigen Situation glaube ich nicht an eine fatale Kreditknappheit, auch wenn Pressemeldungen zufolge viele Unternehmen über einen schlechteren Zugang zu Kreditfinanzierungen klagen.

Gerade Private-Equity-Unternehmen sind hinsichtlich ihrer Finanzierungen meist sehr professionell gemanagt. Sie finanzieren sehr weitsichtig und erneuern oder verlängern ihre Finanzierungen meist lange vor ihrem Laufzeitende. Gerade in der jetzigen Zeit sehen wir wieder sehr viele „Amend & Extend“-Transaktionen, bei denen die bestehenden Kreditgeber die Kreditlaufzeiten verlängern, oft unter Anhebung der Verzinsung auf das aktuelle, höhere Marktniveau sowie unter Anpassung der Dokumentation, die je nach Entwicklung der Kreditnehmergruppe strenger oder laxer werden kann. Auch wenn selbstverständlich immer eine Kreditentscheidung für eine Verlängerung erforderlich ist, unterliegen die A&E-Transaktionen anderen Spielregeln; Kreditgeber sind wesentlich eher bereit, einem ihnen bereits bekannten Kreditnehmer weiter Kredit zu gewähren und müssen dies teils schon gezwungenermaßen tun, wenn der Kreditnehmer anderenfalls zu einer Refinanzierung und damit der Ablösung der Alt-Kreditgeber nicht in der Lage ist.

Dazu kommen Transaktionen, in denen die jeweiligen Unternehmen veräußert werden; dies geht fast immer mit der Ablösung der bestehenden Finanzierung einher. Meist benötigt natürlich auch der Käufer eine neue Finanzierung, die ihm aber bei einer erfolgreichen Akquisition mit seinem frischen Eigenkapital wesentlich eher angeboten wird. Insgesamt dürften selbst bei schwachen Kapitalmärkten die Kreditmärkte so aufnahmefähig sein, dass eine Debt Maturity Wall nicht gefürchtet werden muss. Selbstverständlich sind alle Kreditnehmer gut beraten, sehr weitsichtig zu agieren und rechtzeitig ihre Finanzierung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Thomas Ingenhoven ist Managing Partner des Frankfurter Büros von Milbank. Er berät Kreditgeber und -nehmer sowie Private-Equity-Sponsoren zu Akquisitionsfinanzierungen, Konsortialkrediten, Asset-Finanzierungen, Finanzderivaten und Restrukturierungen. 

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