SPACs – Schwere Zeiten nach dem Hype
Als im Mai wieder eine prominente SPAC-Transaktion in den USA angekündigt wurde, war das für manche schon ein ermutigendes Zeichen dafür, dass die Luft an den Börsen doch noch nicht ganz raus ist. Andere, denen der Rummel um die Akquisitionsvehikel schon länger suspekt ist, sahen durch die angekündigte Verschmelzung der Gay-Dating-App Grindr mit dem SPAC Tiga Acquisiton Corp. alte Vorurteile bestätigt.
Das Objekt der Begierde entspricht als fortgeschrittenes Tech-Startup fast dem Klischee eines SPAC-Targets, hat aber eine problematische Vorgeschichte: Auf Betreiben des Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) musste Eigner Beijing Kunlun Tech die Firma 2020 an eine Beteiligungsgesellschaft mit US-Sitz abgeben, weil sich die Außenwirtschafts-Wächter an der Sammlung amerikanischer Nutzerdaten mit Erpressungspotenzial störten. Rd. 2,1 Mrd. US-Dollar soll Grindr mit seinen über 10 Mio. Nutzern beim Börsengang wert sein.
Die Unterschiede zwischen dem Startkurs und den oft deutlich niedrigeren Bewertungen, auf denen sich viele Unternehmen ein paar Wochen bis Monaten nach dem De-SPAC einpendeln, war allerdings auch das Signal für die US-Börsenaufsicht SEC, die Vehikel und deren Investmentbanken genauer unter die Lupe zu nehmen. Citigroup und inzwischen auch Goldman Sachs haben sich darum bereits aus dem SPAC-Geschäft zurückgezogen. Nach Zahlen des IPO-Beraters Renaissance Capital notierten 89% der 2021 per US-De-SPAC gelisteten Unternehmen im März 2022 unter dem Eröffnungskurs; die Investoren haben im Schnitt 43% ihres Einsatzes verloren.
Kenner der Materie sehen da nicht ganz so schwarz. Man müsse unterscheiden zwischen ‚guten‘ SPACs mit realistischem, substanziellem Geschäftsmodell und ‚schlechten‘ SPACs, die vor allem die Taschen der Initiatoren füllen, heißt es. „Aktuell trennt sich schlicht die Spreu vom Weizen“, sagt auch Carsten Berrar, Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrechtspartner bei Sullivan & Cromwell. „SPACs, die mit Basketball- oder Filmstars werben statt mit echter Expertise, werden es in Zukunft schwer haben“, prophezeit er.
Eine weitere Rolle spielt der globale Trend an den Börsen. „Man darf nicht vergessen, dass gleichzeitig auch etliche schon lange gelistete Tech-Aktien stark nachgegeben haben. In diesem Licht betrachtet sind die Kursrückgänge bei vielen SPACs weit weniger dramatisch, als es zunächst erscheint“, gibt Jan Bauer, Transaktionspartner bei Skadden Arps Slate Meagher & Flom, zu bedenken. Sollte sich das Konjunkturklima im weiteren Jahresverlauf wieder aufhellen, könnte es auch zu einer kleinen SPAC-Renaissance kommen. „Das wäre wünschenswert, denn in bestimmten Wachstumsszenarien sind SPACs eigentlich sehr sinnvolle und hilfreiche Konstrukte“, meint Bauer, der für diesen Fall allerdings auch mit einer stärkeren Konzentration des Markts rechnet. „Ob ein neu aufgelegter SPAC ausreichend Investoren findet, wird im Sinne eines ‚Flight to Quality‘ dann allerdings viel stärker von den dahinterstehenden Personen und deren Expertise und Track Record abhängen als 2021“, erläutert er.
In Deutschland hatten sich u. a. der VC-Investor Klaus Hommels, Alexander Kudlich und Ludwig Ensthaler (beide Ex-Rocket Internet) sowie Gisbert Rühl (Ex-Klöckner) mit eigenen SPACs vorgewagt und damit das Buchungsportal HomeToGo und den Hörspielproduzenten Boxine/Tonies an die Börse gebracht. US-SPACs übernahmen René Benkos Online-Händler Signa Sports und das oberbayerische Flugtaxi-Startup Lilium. Letzteres startete im September an der US-Börse Nasdaq mit knapp 10 US-Dollar pro Anteil, inzwischen wird die Aktie unter 3 US-Dollar gehandelt.
Im Vergleich mit den USA, wo aktuell hunderte börsennotierter SPACs auf fusionsbereite Unternehmen lauern, ist die Situation in Europa allerdings recht entspannt. Gerade erst hat ein weiteres Investitionsvehikel namens SMG European Recovery SPAC sein 115 Mio. Euro schweres Private Placement hinter sich. Der SPAC soll zum 1.6. an die Frankfurter Börse gehen und nach günstigen Post-Corona-Gelegenheiten im Hotellerie- und Freizeitsektor Ausschau halten. „Ich nehme an, dass mindestens 80 bis 90 Prozent der in Europa gelisteten SPACs einen Fusionspartner finden werden“, ist Sullivan-Partner und SMG-Berater Berrar zuversichtlich.
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