Nachhaltigkeit fordert Fondsberater heraus
Das für die Finanzindustrie magische Datum rückt näher. Ab August müssen Anlage- und Versicherungsexperten lt. EU-Verordnung in ihren Beratungsprozessen auch ESG-Qualitätskriterien einbauen. Die sogenannte Nachhaltigkeitspräferenzabfrage wird Pflicht.
Nach Ansicht einiger Vertriebsprofis, die sich bereits des Themas Nachhaltigkeit angenommen haben, wird die Umsetzung der Vorgaben für einige Vermittler zur großen Herausforderung, ist doch der Kriterienkatalog für ökologisch nachhaltige Produkte bzw. Investitionsentscheidungen äußerst komplex. Das bestätigen uns auch die beiden Maklerprofis Gottfried Baer, Geschäftsführer bei Merwert, und Hans Seeliger, Geschäftsführer der gleichnamigen Gesellschaft, im Gespräch auf einer Tagung der BCA, einem marktführenden Maklerpool in Deutschland.
Je nach Sichtweise kommt erschwerend (oder auch nicht) hinzu, dass sich die BaFin vorerst von ihrer eigenen ESG-Richtlinie verabschiedet hat, die strengere Regeln für nachhaltige Investmentfonds vorgesehen hatte. BaFin-Chef Mark Branson begründet die Entscheidung mit dem Ukraine-Krieg und einem nicht ausreichend stabilen Umfeld für eine dauerhafte Regulierung. Die Richtlinie sollte Anleger vor Greenwashing schützen. Grundsätzlich beklagen Vermittlerverbände, es mangele derzeit an rechtsverbindlichen Kriterien, welche Fonds und Produkte überhaupt als nachhaltig gelten.
Weil von der BaFin darüber hinaus vorerst nichts Konkretes zu erwarten ist, geht der Finanzvertrieb seinen eigenen Weg. Die BCA-Gruppe, die im vergangenen Jahr ihren Umsatz um 21,4% auf 72,6 Mio. Euro steigern konnte, bietet künftig mit ihrer eigenen (digitalen) ESG-konformen Beratungsstrecke den angeschlossenen Maklerhäusern wichtigen Support an. „Seit über drei Jahren beschäftigen wir uns bereits damit“, berichtet BCA-Vorstand Frank Ulbricht.
In einem Punkt sind sich die Finanzprofis Baer, Seeliger und Ulbricht aber einig. Für solche Vertriebler, die gesetzliche Vorgaben bzw. die ESG-Kriterien nicht lediglich als die nächste lästige Pflichtaufgabe sehen, sondern sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen auseinandersetzen, bieten sich neue Ansätze.
Ob sich der BaFin-Entwurf für eine Übergangszeit als Branchenstandard etabliert, ist nicht absehbar. Weitere Anhaltspunkte bieten voraussichtlich in Q3 die Ergebnisse einer ESMA-Konsultation. „Es wird für die Berater insgesamt schwieriger werden, Produkte zu finden, die für den jeweiligen Kunden geeignet sind“, räumt Harald Glander, Finanzrechtspartner bei der Kanzlei Simmons & Simmons, ein. Das Kundeninteresse, insbesondere bei der jüngeren Generation, steigt derweil stetig.
ARTIKEL DIESER AUSGABE
ESG-Bestandsaufnahme wird bei Unternehmenskäufen Pflicht
Sogar in Davos, heißt es, drehte sich dieses Jahr alles um das Thema Nachhaltigkeit – wenn auch eher im Sinne visionärer Pläne zur Bewältigung künftiger Krisen. Weniger wolkig,... mehr
SPACs – Schwere Zeiten nach dem Hype
Als im Mai wieder eine prominente SPAC-Transaktion in den USA angekündigt wurde, war das für manche schon ein ermutigendes Zeichen dafür, dass die Luft an den Börsen doch noch nicht... mehr
Hohe Standards in der Gremienkommunikation
Kein triviales Thema, aber meistens klar strukturiert und gut abgesichert – dieses Bild zeichnet eine Studie von Gleiss Lutz zur Kommunikation von Aufsichtsräten. Die Kanzlei hat dafür... mehr
M&A-Konjunktur lässt deutlich nach
Dass der Ukraine-Krieg die Unternehmenskauf- und -verkaufsaktivitäten besonders stark bremsen würde, war früh klar. So zeichnete sich auch im März allmählich ab (s. PLATOW v. 23.3.),... mehr
„Wie verändern sich Private-Equity-Deals in Krisenzeiten, Herr Schinköth und Herr Hirschmann?“
Etliche Jahre lang ging es für die Private-Equity-Branche immer nur aufwärts, und nach dem Corona-Einbruch 2020 jagten sich die Rekorde. Vor Kurzem erst kündigte das PE-Haus Advent... mehr
Willkie Farr & Gallagher baut deutsche Kapitalmarktrechtspraxis auf
Mit gleich zwei Neuzugängen auf Partnerebene verstärkt die US-Sozietät Willkie Farr & Gallagher ihr Deutschland-Büro in Frankfurt. Simon Weiß und Joseph Marx wechseln zum 1. Juni... mehr
Luther holt Restrukturierungsexperten ins Kölner Team
Zum 1.7.2022 begrüßt die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft einen neuen Partner im Kölner Büro. Boris Ober wechselt von der Reitze Wilken Partnerschaft von Rechtsanwälten und verstärkt... mehr
DAI gewinnt erfahrenen Kapitalmarktrechtler
Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) hat seinen Fachbereich Recht unter neue Leitung gestellt. Klaus-Dieter Sohn, zuvor Leiter des Bereichs Wirtschaftspolitik bei der Stiftung Familienunternehmen,... mehr
AGI US auf der Anklagebank – Hengeler berät Allianz bei Vergleichen mit Behörden
174,3 Mio. US-Dollar als Gewinnabschöpfung an das US-Justizministerium, 675 Mio. US-Dollar als Strafe an die US-Börsenaufsicht SEC, rund 5 Mrd. US-Dollar an Entschädigungen: Das sind... mehr
Glasfaser – Freshfields und Clifford begleiten Milliardendeal
Es soll der große Schub für den Ausbau des Glasfernetzes in Deutschland sein: Das Joint Venture zwischen der Deutschen Telekom und dem IFM Infrastructure Fund, GlasfaserPlus. Bereits... mehr