Anleihen, Rohstoffe, Derivate – Mehr ESG im Anlageuniversum
Was ist praktikabel, was nicht? _ Mit der Wirtschaftserholung kehrt auch das vor Corona omnipräsente Thema Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage zurück. Am Markt wird ESG primär bei der Aktienanlage verortet. Da es sich aber bei Green Finance nicht um einen flüchtigen Trend, sondern einen tiefgreifenden Strukturwandel handelt, muss sich das gesamte Anlageuniversum auf ESG ausrichten.
Bernd Meyer (Berenberg) rückt als Chefstratege Wealth-Management tagtäglich Staatsanleihen, Rohstoffe, Derivate oder Drittfonds in ein grünes Licht. Klassische ESG-Instrumente für Unternehmensaktien oder -anleihen wie simple Ausschlusskriterien, aktives Engagement oder der Fokus auf Agenturratings lassen sich in der facettenreichen Multi Asset-Anlage nicht eins zu eins anwenden. Bei Staatsanleihen etwa sei ein enger Austausch mit dem Emittenten (Engagement) schon nicht möglich und auch die Ausschlusskriterien stoßen schnell an ihre Grenzen. So sei es schlichtweg wenig sinnvoll, eine EM-Anleihe auszuschließen, nur weil das Land das Pariser Klimaabkommen noch nicht unterzeichnet habe, erklärt Meyer. Es gehe nicht darum, den Status quo zu bewerten, sondern Entwicklungsperspektiven zu fördern. Gerade in den Schwellenländern sei die Bewertung von Nachhaltigkeit enorm schwer.
Auch Drittfonds und ETFs lassen sich nicht nach Schema F klassifizieren. Effektiver als etwa nur die MSCI-Ratings der Holdings zu Rate zu ziehen sei es denn auch, den Prozess der Fondsgesellschaft unter die Lupe zu nehmen und zentrale Fragen zu stellen, ob und wie die Gesellschaft bei der Auswahl ESG berücksichtigt und welchen Stellenwert ESG in der Gesellschaft hat. Bei Rohstoffen lässt sich dies noch schwerer beantworten, denn es gibt noch keine vernünftigen Analysen über die Nettoauswirkungen eines gesamten Lebenszyklus von Rohstoffen. Meyer betont, dass es aber nun mal Rohstoffe brauche, um einen positiven Impact in anderen Bereichen zu erzielen, Stichwort E-Mobilität. Multi-Asset stehe noch am Anfang der Evolution zu harmonischen ESG-Standards, resümiert Meyer. Verweigern wird man sich dem Wandel freilich nicht, aber es braucht Zeit, Erfahrung, regulatorische Hilfestellung und versierte Portfolio- und Anlagestrategen.
Foto: Bernd Meyer, Berenberg. Fotograf: Jose Poblete
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