Windkraft – Eine Branche zwischen Überkapazitäten und M&A

„Manchmal hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu.“ Diese altbekannte Floskel aus dem Fußball lässt sich derzeit auch auf die Branche der Windanlagenbauer übertragen. Eigentlich leben diese in der besten aller Welten. Windenergie ist am richtigen Standort mit herkömmlichen Energieträgern konkurrenzfähig, sie ist sauber und schont den globalen Klimahaushalt. Doch irgendwie läuft derzeit alles gegen die Branche.

Hausgemachte Probleme

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise haben Investoren Probleme, die nötigen Kredite für ihre Windparks aufzubringen, viele haben sich ganz vom Markt zurückgezogen. Gleichzeitig leidet die Branche unter erheblichen Überkapazitäten, wozu insbesondere die finanzstarken asiatischen Konzerne beigetragen haben. Sie setzten teilweise gerade dann zum großen Sprung an, als die Finanzkrise über die Märkte hereinbrach. Und zu allem Überfluss konnten die Unternehmen nicht einmal in Deutschland Kapital aus dem Atomausstieg schlagen. Stattdessen ließen sie sich von den großen, traditionellen Energiekonzernen die Butter vom Brot nehmen; denn die setzte in Berlin ihre Interessen durch und sicherte sich die Pole Position bei der Energiewende. Zu allem Überfluss kam dann auch noch Tennet. Der Netzbetreiber hatte Probleme, die Offshore-Windparks ans Stromnetz anzuschließen. Einige Projekte wurden deshalb um Jahre zurückgeworfen, heißt es Hier drohen die Unternehmen bereits mit Klagen.

Globale Übernahmechancen

Die deutsche Windbranche schlägt sich also mit hausgemachten Problemen herum, während draußen in der Welt viele Opportunitäten warten. Denn im Gegensatz zur Solarbranche hinken hier die asiatischen Konzerne technologisch noch hinterher. Somit sollten eigentlich deutsche Konzerne wie Siemens, aber auch die kleinere Nordex aus dem TecDAX die aktuellen Chancen nutzen. Das offensichtlichste Beispiel ist sicher Vestas Wind (5,90 Euro; DK0010268606). Der dänische Konzern ist die Nummer eins der Branche, sowohl technologisch als auch hinsichtlich der Aufträge und Umsätze. Doch wie viele andere Unternehmen ist auch Vestas in den Strudel aus Überkapazitäten und Finanzierungsnot geraten und muss sich einen stärkeren Partner suchen. Doch während deutsche Konzerne wie Siemens mit sich selbst beschäftigt sind, werden wohl andere Konzerne die Gelegenheit beim Schopfe packen und entweder eine Kooperation mit den Skandinaviern eingehen oder das Unternehmen ganz schlucken. Als heißester Partner gilt derzeit die japanische Mitsubishi Heavy Industries. Die Vestas-Aktie konnte im Rahmen dieser Spekulationen schon den Turnaround einleiten (siehe Chart), nachdem zuvor binnen vier Jahren mehr als 90% des Börsenwerts verloren gingen. Wie attraktiv aber auch eine Übernahme wäre, zeigt ein Blick auf die nackten Daten. Der Konzern will 2012 rund 6 Mrd. bis 8 Mrd. Euro umsetzen und operativ keine roten Zahlen mehr schreiben. Dieser Erlös geht mit einer aktuellen Marktkapitalisierung von gerade einmal 1,2 Mrd. Euro einher. Sollten die Gespräche scheitern, würden übrigens schon koreanische Konzerne bereit stehen, heißt es in Londoner Finanzkreisen.

China kommt

Wie auch immer das Werben um den Turbinenhersteller Vestas ausgeht, eines ist klar: Solange die Überkapazitäten bestehen und auch die Finanzierungsmärkte nicht in den normalen Modus zurückfinden, droht den Europäern das gleiche Schicksal wie der Solarbranche. Es dauert wahrscheinlich nur noch wenige Jahre, bis die Chinesen den Technologievorsprung eingeholt haben. Und dann können sie dank billigem staatlichem Geld und niedriger Produktionskosten die Märkte im Westen aufrollen – ganz wie im Solargeschäft.

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