Ukraine – Chinas Rochade führt Westen vor
Blaupause für Taiwan _ Seit Anerkennung der Separatistengebiete Donezk und Luhansk durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin zeigte sich Peking zunächst auffallend gemäßigt. Der Schulterschluss, den beide Autokratien am 4.2. kurz vor Eröffnung der Olympischen Winterspiele eingingen, lehnt eine Erweiterung der NATO gen Osten zwar klar ab. China betonte jedoch, dass der schwelende Konflikt auf friedlichem Weg gelöst werden müsse. Klar ist aber: China verfolgt eine Doppelstrategie.
Denn wie auch der Kreml die Ukraine als untrennbaren Teil seiner Geschichte sieht, gilt Gleiches für die Volksrepublik in der Taiwan-Frage. Regelmäßig erhöht China den Druck auf seine „abtrünnige Provinz“. Mal mit Kampfjets im taiwanischen Luftraum, mal mit stiefmütterlichem Befehlston wie etwa 2019 von CCTV-Moderatorin Lu Mei: „Wanwan, komm nach Hause.“ Das Zuckerbrot gilt dabei den frustrierten Kuomintang-Funktionären, die 1949 vor den Kommunisten nach Taiwan ins Exil flohen, einer Annäherung aber eher offen gegenüberstehen. Die militärische Peitsche schnalzt indes für die liberalen Kräfte rund um die Demokratische Fortschrittspartei unter Präsidentin Tsai Ing-wen. Sie lehnen den 1992-Konsens der Ein-China-Politik ab.
Durch seine zunehmende Aggression in der Ukraine bietet Russland jetzt dem kommunistischen Nachbarn ein Musterbeispiel, wie der Konflikt um Taiwan zumindest militärisch geführt werden könnte. Doch je praller das Sanktionspaket der Westmächte gefüllt ist, desto eher dürfte Russland zu Chinas Bauernopfer werden. Noch macht sich Xi Jinping die eigenen Finger nicht schmutzig. Säbelrasseln wie im Ost- und Südchinesischen Meer muss da reichen – vorerst. Denn während etwa Hongkongs roter Anstrich mit jedem Tag näher rückt (die 50-jährige Frist zur Beibehaltung von Artikel 5 läuft am 30.06.47 aus), zeichnet sich für Taiwan ein anderes Bild: Im Falle eines militärischen Konflikts hat US-Präsident Joe Biden bereits militärische Unterstützung zugesichert. Nicht uneigennützig: Taiwan liegt an der strategisch wichtigen und dicht befahrenen Formosastraße.
Aufgrund seiner Strategie, Russland den Vortritt zu gewähren, bleibt China flexibel und führt dem Westen dessen begrenzte Mittel vor Augen. Bleibt Peking defensiv, winken wichtige Informationen über das westliche Handeln im Eskalationsfall. Greift es Taiwan an, steht dem Westen ein Zweifrontenkrieg ins Haus.
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