E-Roller – Firmenexistenz in Gefahr
Anbieter pochen auf Regulierung statt verbot _ Das Ärgernis um die als große Nachhaltigkeitsrevolution vermarkteten E-Scooter in europäischen Großstädten hat die letzten Jahre zugenommen. Die Pariser haben mit ihrem Votum zum Verbot des Verleihs, für das noch nicht einmal 7% der städtischen Bevölkerung mit „Ja“ stimmen musste, eine ordentliche Delle in das Geschäftsmodell der einstigen VC-Lieblinge geschlagen. Vor drei Jahren erlebten die Roller in europäischen Metropolen einen Boom, beflügelt von üppigen Finanzierungsrunden zu Milliardenbewertungen.
Das Berliner Startup Tier sammelte im Herbst 2021 170 Mio. Euro zu einer Bewertung von angeblich 2 Mrd. Euro ein. Der US-Wettbewerber Lime toppte das wenige Monate später mit einer knapp 3 Mrd. US-Dollar schweren Bewertung und einem geplanten Börsengang. Um den ist es nun still geworden. Der Höhenflug endete 2022 inmitten der Rezessionsängste, noch bevor Forderungen nach Verboten lauter wurden. Tier will in Paris weiterhin mit ca. 5 000 E-Bikes tätig sein und „eng mit den anderen über 80 Städten und Kommunen im Pariser Umland zusammenarbeiten, in denen wir E-Scooter und E-Bikes betreiben“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Zudem werfe das Verbot die Frage nach dem Übergang zu Scootern in Privatbesitz auf, die in Frankreich kaum reguliert seien.
Lime verweist auf die „sehr niedrige Wahlbeteiligung“ (ca. 7,5%), darunter seien insbesondere ältere Menschen. Viele Nutzer von Außerhalb (Touristen, Pendler) seien nicht einbezogen worden. „Umfragen zufolge wünschen sich die meisten Pariser eine bessere Regulierung. Diese Option stand beim Referendum nicht zur Auswahl“, sagt uns Lime-Pressesprecherin Sarah Schweiger. Das Ergebnis der Abstimmung wirke sich direkt auf die Mobilität von 400 000 Menschen pro Monat aus, „von denen 71% zwischen 18 und 35 Jahre alt sind.“
Die Firmen versprechen „praktische, erschwingliche, sichere und v. a. umweltfreundliche Verkehrsmittel“, doch der Nachhaltigkeitsclaim hat längst Risse. An vielen Stellen bilden die kreuz und quer auf Gehwegen verteilten Roller oder rücksichtslose Fahrer ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko. Angeblich wegen Platzmangels wurden etwa in Köln und Frankfurt weit über 100 E-Roller in örtlichen Flüssen entsorgt. Naturschutz geht anders.
Hierzulande ist die Zulassung für das Sharing bundeseinheitlich geregelt. Deutsche Städte sollten sich eher auf die Integration der Scooter konzentrieren, als durch Verbote Alternativen zum privaten PKW auszubremsen, fordert Tier. Die Anbieter stehen allerdings ebenso in der Verantwortung, bessere Bedingungen zu schaffen und Lösungskonzepte anzubieten. Vielleicht fließt dann auch wieder das nötige Kapital. ck
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