Wie normalisiert sich die Zinskurve?
Eine Rezession war daher schon eine ausgemachte Sache, als zweijährige US-Notes Anfang April 2022 erstmals für kurze Zeit mehr Zinsen abwarfen als 10-jährige US-Treasuries. Denn allen zehn Rezessionen in den USA seit 1955 war eine invertierte Zinskurve vorausgegangen (vgl. „Zinskurve – Achtung, Warnsignal?“ in PB v. 6.4.22). Mittlerweile ist die Kurve seit Juli 2022 konstant invers und der „2-10-Spread“ war im März und Juli mit mehr als 1% so hoch wie zuletzt Anfang 1981 – kurz vor der Ölkrisen-Rezession der frühen 1980er Jahre.
Nur zwei Mal – Mitte der 1960er Jahre und im Mai 1998 – lieferte die inverse Zinsstruktur ein Fehlsignal. Aktuell setzen viele Marktteilnehmer auf ein Soft Landing der Wirtschaft und eine dritte Ausnahme von der Regel. Sie verweisen auf die historisch einmalige Liquiditätsflut, die mit den Covid- und Inflations-Hilfsprogrammen einsetzte: In den USA weitete sich die Geldmenge (M2) von 15 auf über 20 Bio. US-Dollar, in Europa (M3) von 13 auf über 16 Bio. Euro aus. Dadurch seien die Unternehmen mit so viel Liquidität versorgt, dass sie eine mögliche Kreditklemme locker verkraften würden.
Für uns ist nur eines sicher: Die Zinsstrukturkurve wird sich wieder normalisieren. Spannend wird sein, ob dies wegen fallender Leitzinsen am kurzen Ende oder steigender Marktzinsen am langen Ende passiert. Aktuell verflacht die Zinskurve, weil die Zinsen am langen Ende (Rendite 10-jährige Treasuries: 4,34%; höchster Stand seit 15 Jahren) stärker steigen als am kurzen Ende. Auch darin spiegelt sich die Erwartung wider, dass die US-Konjunktur robuster als gedacht läuft und die Fed länger mit hohen Leitzinsen die Inflation bekämpfen kann.