Nicht alles Gold, was glänzt
Sowohl DAX als auch S&P 500 notieren mit 18 bzw. 20% Jahresgewinn auf neuen Allzeithochs. Während saisonale Muster die Rally im Dezember noch unterstützen dürften (vgl. PB v. 7.12.), legen Ökonomen bereits ihre Goldlöckchen für 2024 zurecht. Denn eine „stabile“ Inflation beschreibt bei wachsender Wirtschaftstätigkeit das typische „Goldilocks-Szenario“. Die aktuellen Treiber der Rally können ironischerweise aber zugleich rezessive Tendenzen im neuen Jahr befeuern.
Der US-Arbeitsmarkt z. B. zeigte lange kein Zeichen der Schwäche, sodass die Fed unbeirrt mit ihrer Straffungsagenda fortfahren konnte. Eine erhöhte Arbeitslosigkeit steigert zwar einerseits die Wahrscheinlichkeit einer frühen Zinssenkung, aber andererseits auch die Gefahr einer Rezession. So besagt die nach Claudia Sahm benannte Sahm-Regel, dass eine Rezession eintritt, wenn der Dreimonatsdurchschnitt der Arbeitslosenquote 0,5 %-Punkte über dem Tiefstwert der letzten 12 Monate liegt. Im Oktober lag dieser Wert mit 3,83% bereits 0,43 %-Punkte über dem Tiefstwert von 3,40%. Die überraschend im November auf 3,7% gesunkene Arbeitslosenquote aus dem Arbeitsmarktbericht vom Freitag (8.12.) entfernt sich mit einem Dreimonatsdurchschnitt von 3,8% zwar etwas vom kritischen Rezessionswert. Die Nachfrage nach Arbeitskräften speiste sich zuletzt aber nur aus wenigen Sektoren (vgl. PB v. 5.12.).
Darüber hinaus ist für 2024 eine Flut an Staatsanleiheemissionen zu erwarten. Während der Corona-Pandemie haben Regierungen global ein Gros der Verschuldung des privaten Sektors in ihre Bilanz verlagert. Jetzt ufern die Haushaltsdefizite aus und mussten z. B. in den USA durch einen erneuten Übergangshaushalt finanziert werden oder sorgen, wie im Falle der Bundesregierung, für eine 2023 nicht mehr lösbare Problemlage. Ein Boom an Emissionen hochwertiger Staatsanleihen wird es für Unternehmen teurer machen, eigene Anleihen auf den Markt zu bringen und Refinanzierungen durchzuführen. Das schmälert Investitionen und nimmt der Konjunktur den Schwung.
Schlussendlich hängt aber alles an der Inflation. Mit 3,2% sinkt die Teuerung in den USA (Oktober) und Deutschland (November) zwar weiter Richtung Zielmarke von 2%. Doch wenn die Inflation sinkt, wird der Realzins positiv bleiben, was sich negativ auf Unternehmensgewinne auswirken dürfte. Für Ökonomen spiegelt sich im Zielwert von 2% daher eher der Boden und in 4% der Durchschnitt eines natürlichen Zinses, bei dem die Inflation stabil ist und die Wirtschaft wächst. Das „Goldilocks-Szenario“ lautet „higher for longer“.