Donald Trump zündet die Märkte an

Mit seiner als „Liberation Day“ bezeichneten Ankündigung am Mittwochabend hat der US-Präsident die Welt in eine ähnliche Schockstarre versetzt wie seinerzeit der römische Kaiser Nero.
Auf die drastischen Zöllen, die als die höchsten seit mehr als einem Jahrhundert gelten, reagierten die Kapitalmärkte entsprechend heftig: Investoren zogen Gelder massenhaft aus Risikoanlagen ab und verlagerten sie in sichere Häfen wie kurzlaufende Staatsanleihen. Die Rendite zweijähriger Schweizer Staatsanleihen fiel um fast 70%.
Die Grundlage der neuen Zölle basiert auf einer simplen Formel: Das Handelsdefizit (ohne Dienstleistungen) eines Landes mit den USA dient dabei als Indikator für angeblich unfaire Handelspraktiken. Dieses Defizit wird durch das Volumen geteilt, das jährlich aus diesem Land in die USA importiert wird. Der zu erhebende Zollsatz beträgt anschließend die Hälfte dieses Werts. Besonders hart trifft es dadurch asiatische Länder, die große Warenmengen wie Chips in die USA exportieren. China (34%) und Taiwan (32%) trifft es besonders. Auch die EU bleibt mit 20% nicht verschont.
Ökonomen kritisieren die Herangehensweise der US-Regierung und ihr Ziel „ausgeglichener Handelsbilanzen“. Dieses Ziel entbehrt jeglicher Logik: So kann ein Land wie die USA nun einmal keinen eigenen Kakao anbauen, ebenso wie in afrikanischen Ländern der Anbau von Weizen klimatisch bedingt keinen Sinn ergibt. David Ricardo, der bereits 1817 die Theorie der komparativen Produktivität begründete, dürfte sich dieser Tage im Grabe umdrehen. Die Frage ist nun, ob Donald Trump die Globalisierung beenden möchte oder lediglich taktisch vorgeht und Zölle als Druckmittel nutzt, um Zugeständnisse zu erzwingen. Die krude Berechnungsgrundlage für die Zölle – zuvor hatte die US-Regierung dafür noch eine umfassende Berücksichtigung bilateraler Handelsbeziehungen einschließlich Regulierung, Steuern und anderer Handelshemmnisse in Aussicht gestellt – deutet für uns auf Oberflächlichkeit und Inkompetenz hin.
Wiederum Fuest war es, der Mittwochnacht auf X als Reaktion einen klaren Kurs empfahl: Die EU solle auf die US-Zollerhöhungen reagieren, indem sie den Handel mit anderen Ländern liberalisiere. Gleichzeitig solle man den USA anbieten, beidseitig Zölle abzuschaffen. Gegenzölle, wie sie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute energisch angekündigt hatte, sollten vorbereitet, aber noch nicht umgesetzt werden.
Kürzlich erst widersprach Fuest Aussagen von Trump, die USA hätten gegenüber der EU ein massives Handelsdefizit. Auf einer Konferenz betonte er, dass die Berechnungen der US-Regierung irreführend seien, da sie Dienstleistungen ignorierten. Inklusive dieser Dienstleistungen, etwa von Tech-Giganten wie Meta, Alphabet oder Microsoft, sei die Handelsbilanz wesentlich ausgeglichener. Hier kommt ein interessanter Aspekt ins Spiel. Die USA könnten vor allem sich selbst schaden. Sollten die EU und andere Länder gezielt gegen US-Tech-Unternehmen Zölle erheben, wäre der Schaden weit größer als bei Zöllen auf klassische Industriewaren aus Europa oder anderswo. US-Technologiekonzerne erzielen als Oligopolisten zum Teil exorbitante Margen, weshalb ein Rückgang der Nachfrage durch höhere Zölle deren Profitabilität stark treffen würde. Hersteller von Autos oder Basischemikalien hingegen könnten durch Kostensenkungen besser auf Zölle reagieren und weisen niedrige Margen auf, wodurch die Fallhöhe bei der Profitabilität eine andere ist.
US-Tech-Aktien zählten am Donnerstag mit zu den größten Verlierern. Der Nasdaq 100 fiel um über 4%. Es wäre wünschenswert, wenn jemand Trump mal zuflüstern würde: „You dont have the cards.“