Finanzmärkte

Der aktuelle Anleihecrash erreicht historisches Ausmaß

Der Abverkauf langlaufender US-Staatsanleihen nimmt alarmierende Ausmaße an und enttäuscht all diejenigen, die auf fallende Zinsen gesetzt haben.

Schranke mit DAX-Tafel
Schranke mit DAX-Tafel © Deutsche Börse AG

Zur Einordnung folgender Vergleich: Derzeit verzeichnen Staatsanleihen mit langer Duration – also einer Laufzeit von 20 Jahren und mehr – stärkere Einbrüche als der S&P 500 in einer seiner schwersten Stunden, nämlich der Finanzkrise von 2007 bis 2009. Exchange-Traded-Funds (kurz: ETFs), die diese langlaufenden US-Anleihen bündeln, weisen seit August 2020 einen Kursrückgang von 58% auf, während der Aktienmarkt in der globalen Finanzkrise „nur“ um 56% fiel.

Dieser historische Abverkauf könnte gravierende Auswirkungen haben, da insbesondere Pensionskassen, Versicherungen und Banken in großem Umfang in diese als sicher geltenden Papiere investieren. Sie dienen als Sicherheiten für enorme Kredite im gesamten Finanzsystem. Fällt das Collateral im Kurs, erhöht sich der systemische Druck. Aus diesem Grund beschränkten wir uns Anfang Juli im Musterdepot auf kurzlaufende Staatsanleihen, um einerseits die verfügbare Liquidität attraktiv zu verzinsen und andererseits im Falle steigender Zinsen fallende Anleihekurse bei längeren Laufzeiten zu vermeiden (unsere Bewegründe erläuterten wir Ihnen in PB v. 6.7.).

Obwohl die Inflation in den USA aktuell rückläufig ist und der Druck auf die Anleihen eigentlich nachlassen sollte, steigt das lange Ende der Zinskurve weiterhin. Letztendlich wird auch der Anleihemarkt von Angebot und Nachfrage beeinflusst: Der US-Staat verzeichnet weiterhin hohe Defizite. Allein in den letzten Tagen stieg die Verschuldung unerwartet um 275 Mrd. US-Dollar. Das entspricht einer monatlichen Zunahme von beinahe 1 Bio. US-Dollar. Diese wird durch Neuemissionen von Anleihen finanziert, was wiederum das Angebot nach oben treibt. Parallel dazu reduziert die Federal Reserve ihre Bilanz und bringt zusätzliche Staatsanleihen auf den Markt. Das treibt den Preisverfall der am Sekundärmarkt gehandelten Anleihen mit langer Duration.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass die US-Notenbank notgedrungen die Zinsen am kurzen Ende weiter anheben wird, damit die Zinsen am langen Ende sinken. Sollten die Notenbanker durch den Kauf von Anleihen allerdings versuchen, die Zinskurve zu steuern – auch „Yield-Curve-Control“ genannt – könnte die zusätzliche Liquidität zu einer Rally am Aktienmarkt führen. Dies würde vermutlich aber auch eine steigende Inflation zur Folge haben. Eines ist sicher: An den Märkten wird es volatil bleiben, aber gerade in Zeiten hoher Volatilität bieten sich auch immer Chancen. 

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