Wahlen in Brasilien – Wie der Markt reagiert
Die Wahl frühzeitig für sich zu entscheiden, gelang ihm jedoch nicht und auch die Führung fiel bedeutend geringer aus, als es von Analysten vorhergesagt worden war. Mit 43,3% der Stimmen lag Bolsonaro lediglich 5,2% hinter dem Kandidaten der Arbeiterpartei – und nicht 10%. So wähnt Bolsonaro, der u. a. Wunschpräsident der lokalen evangelikalen Kirche sowie der Landwirtschafts- und Waffenlobby ist, nicht ganz zu Unrecht das Momentum bis zum alles entscheidenden 30. Oktober auf seiner Seite.
An den Märkten nahm man das überraschend enge Ergebnis erleichtert zur Kenntnis. So konnte der brasilianische Real an zwei Tagen ggü. dem US-Dollar 4,6% dazugewinnen und der Bovespa-Index 5,6%. Es ist davon auszugehen, dass die beiden Hauptkontrahenten jetzt versuchen werden, ihre radikalen Positionen herunterzuspielen und sich der politischen Mitte des Landes anzudienen. Für Lula bedeutet das, sich offener für eine Fortführung der marktliberalen Reformen der letzten Jahre zu zeigen und glaubwürdig einen verantwortungsvollen Haushalt zu planen. Bolsonaro dürfte hingegen seine anti-demokratische Rhetorik in den Hintergrund treten lassen.
Konkret wird es für beide darum gehen, zumindest einen Teil der Stimmen der zwei moderateren Kandidaten, also Simone Tebet und Ciro Gomes, für sich zu gewinnen. Zusammen holten diese etwas über 7% der Stimmen und sind in der Schlussphase dieser Wahl entscheidend. Wichtig ist daher auch, wen die Anführer stützen. Gomes hat sich bereits auf die Seite Lulas geschlagen, von Tebet wird erst noch eine Entscheidung erwartet. Auch bei ihr ist von einer Unterstützung Lulas auszugehen. Dagegen haben sich die Gouverneure der drei bevölkerungsreichsten Bundesstaaten Brasiliens für Bolsonaro ausgesprochen.
Stillstand als Perspektive
Auch wenn noch immer ein Sieg Lulas als wahrscheinlich gilt, ist nicht davon auszugehen, dass der Ex-Präsident mit großem Handlungsspielraum aus der Wahl hervorgehen wird. Bolsonaros Partei stellt nämlich nach der gleichzeitig abgehaltenen Wahl zum Kongress die stärkste Fraktion im zersplitterten Parlament. Brasilien wird also vor allem mit Stillstand zu rechnen haben. Ähnliches würde im Falle eines siegreichen Bolsonaro eintreffen. Dieses vom Markt scheinbar favorisierte Szenario ist zwar in Anbetracht der Alternative verständlich, aber letztlich geboren aus einer enormen Polarisierung.
Positiv für das Land wären eine erfolgreiche Steuerreform, anhaltende Liberalisierung und Privatisierung der Wirtschaft, Investments in Infrastruktur und Bildung sowie ein Präsident, der die Klimakrise im Amazonas nicht noch weiter befeuert. Das würde auch die wichtigen Beziehungen zu Europa verbessern.