USA verlieren in Lateinamerika
Schon länger nennen Kritiker den scheidenden US-Präsidenten spöttisch „No-show Joe“. Bei wichtigen Ereignissen glänze dieser vor allem durch Abwesenheit. Ob dieses Narrativ nun stimmt oder nicht: Die Erosion ist Fakt und wird sich mit Donald Trump wohl fortsetzen, während Bidens chinesischer Amtskollege Xi Jinping geschickt in einer der rohstoffreichsten Regionen der Welt navigiert; sei es auf dem Apec-Gipfel in Peru oder aktuell auf dem G20-Gipfel in Brasilien.
Lateinamerika verfügt über die Hälfte der globalen Lithiumreserven, über ein Drittel des Kupfers sowie fast ein Drittel des Süßwassers und Primärwaldes der Welt. Hinzu kommt ein Fünftel der weltweiten Ölreserven. Bereits in Peru führte Xi daher eine Delegation aus hunderten Geschäftsleuten an, um die erste Phase eines Megahafenprojekts im Wert von 3,5 Mrd. US-Dollar einzuweihen, das den Schiffsverkehr von der Pazifikküste Lateinamerikas bis nach China revolutionieren soll. Dem stand lediglich ein 65 Mio. Dollar-Antidrogenprogramm der USA gegenüber.
In Brasilien das gleiche Spiel: Während Biden eine Spende von 50 Mio. Dollar an den Amazonas-Schutzfonds ankündigte, will Xi die Verflechtungen mit dem wichtigsten Handelspartner der Region weiter ausbauen. 2023 betrug der Handel über 450 Mrd. Dollar, zur Jahrtausendwende waren es lediglich 12 Mrd. Dollar. Obgleich Brasiliens Präsident Lula da Silva – wie auch Indien – einen Beitritt zur Neuen Seidenstraßen-Initiative offiziell noch ablehnt, steigt das Engagement Chinas stetig. Konkret sind es die drei Cleantech-Sektoren Elektrofahrzeuge, Lithium-Ionen-Batterien und Photovoltaikmodule. China rückt damit ab von Energie-, Lebensmittel- und Rohstoffsicherung hin zu mehr Innovation. Die Exporte dieser Branchen erreichten im Jahr 2023 fast 143 Mrd. Dollar, eine Vervierfachung gegenüber 2019.