Taiwan sucht Schulterschluss mit Indien
Neu-Delhi und Taipeh führen bereits seit gut 18 Monaten Verhandlungen über intensivere wirtschaftliche Beziehungen. Ein konkretes Ziel ist dabei die Einrichtung eines Zentrums für die Halbleiterherstellung. Vor dem Hintergrund der wachsenden Nachfrage nach Chips für Produkte wie Mobiltelefone bis hin zu Autos hat das auch viel Sinn. Dazu haben die Regierungen vier Gruppen gebildet, von denen sich eine mit der Errichtung eines Zentrums für die Halbleiterherstellung befasst. Die Themen Aus- und Weiterbildung von hochspezialisierten Arbeitskräften, die für die Branche benötigt werden, ein bilaterales Investitionsabkommen und ein allgemeines Freihandelsabkommen, um die Zuliefer- und Absatzstrukturen abzusichern, komplettieren die Liste.
Hintergrund sind Bestrebungen Indiens, sich in den kommenden Jahren zu einem globalen Halbleiterzentrum zu entwickeln. Lokalen Medien zufolge plant die Regierung, 30 Mrd. US-Dollar in den Technologiesektor zu pumpen, um bei Chips unabhängig zu werden und nicht zur „Geisel“ von globalen Anbietern zu werden. So erklärte Gourangalal Das, Generaldirektor der India-Taipei Association (die de-facto-Botschaft Indiens in Taiwan), dass die indische Halbleiternachfrage bis 2030 rd. 110 Mrd. Dollar erreichen werde, was dann etwa 10% der globalen Nachfrage ausmachen werde. Vor diesem Hintergrund hat die indische Regierung im Rahmen ihres PLI-Programms (Production Linked Incentive) Investitionen in Höhe von umgerechnet rd. 10 Mrd. Dollar allein für die Entwicklung eines elektronischen Ökosystems für die Halbleiter- und Displayherstellung angekündigt.
Jahrelange Tradition der Zusammenarbeit
Indien hat zuletzt die Zusammenarbeit mit Taiwan in den Bereichen Handel, Investitionen, Tourismus, Kultur, Bildung und zwischenmenschlicher Austausch aktiv gefördert. Beide Länder haben außerdem Teams gebildet, um die fruchtbare Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Kompetenzentwicklung auszubauen. Indien ist offen für die Zusammenarbeit mit taiwanesischen Technologieunternehmen, wie es etwa der iPhone-Monteur Foxconn getan hat, der mit dem indischen Mischkonzern Vedanta ein Halbleiterwerk in Indien errichtet. Berichten zufolge sind auch die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) und die United Microelectronics Corporation (UMC) als Partner und Investoren für eine Anlage in Indien im Gespräch. Die Verhandlungen sind offenbar aber noch nicht abgeschlossen.
Aufgrund der komplexen Zulieferstruktur müssen viele Drittfirmen überzeugt werden, ebenfalls Anlagen in Indien zu errichten, um die Versorgung mit Vorprodukten und Komponenten sicherzustellen.
Mit diesen Projekten verschafft sich Taiwan nicht nur Luft gegenüber Peking (was auch den Börsenwert der Halbleiter-Firmen anschieben sollte), sondern mit Indien, einem strategischen Konkurrenten Chinas, einen beachtlichen technologischen Vorteil, der Pekings geopolitische Ambitionen dämpfen sollte. In jedem Fall gewinnen Taiwans Technologiefirmen und ihre indischen Partner mit dieser Kooperation an Attraktivität.