Südkorea – Gute Zahlen, aber das Fundament wackelt

Der IWF hat seine positive Beurteilung Südkoreas mit dem gerade erschienenen Artikel IV-Report bestätigt: Gute wirtschaftliche Fundamentaldaten und eine solide Wirtschaftspolitik haben demnach die koreanische Wirtschaft durch die Krisen der letzten Jahre gebracht. Sie wächst weitgehend im Gleichgewicht entsprechend ihrem Potenzial, es sind weder Überhitzungsprobleme noch Unterbeschäftigung zu erwarten. Die Inflation liegt am Zielwert. Namentlich die vergleichsweise geräuschlose Bereinigung der Überhitzungsprobleme auf dem Immobilienmarkt mit den daraus resultierenden Risiken für das Bankensystem hat zu diesem erfreulichen Ergebnis beigetragen.
Das Wachstum der nächsten Jahre dürfte – sofern keine externen Schocks hinzukommen – 2,0% bis 2,2% betragen. Der Leistungsbilanzüberschuss ist 2024 im Zuge der weltweiten Halbleiternachfrage auf über 4% vom BIP gestiegen und wird der mittelfristigen Projektion zufolge bis zum Ende des Jahrzehnts hoch bleiben. Auch wenn der IWF von einer Normalisierung spricht („da sich das Exportwachstum abschwächt und das Importwachstum angesichts der anziehenden Binnennachfrage zunimmt“) sieht das Zahlengerüst einen Leistungsbilanzüberschuss vor, der von 3,6% des BIP im laufenden Jahr bis 2029/30 kontinuierlich auf 4,4% ansteigt, angetrieben von einem Zuwachs der Gesamtexporte um 22%.
In diesem Feld dürften die größten wirtschaftlichen Risiken für Südkorea liegen. Die Handelspolitik der Trump-Administration wird diese Entwicklung wohl nicht so einfach hinnehmen, zumal angesichts der sicherheitspolitischen Abhängigkeit Südkoreas von den USA. Gleichzeitig steht Koreas Industrie unter starkem Konkurrenzdruck aus China, das um die Auslastung seiner Überkapazitäten kämpft. Der politische Druck aus den USA und der wirtschaftliche aus China werden die Wachstumsbeiträge der koreanischen Exporte schmälern.
Unterdessen haben die innenpolitischen Wirren um die kurzlebige Verhängung des Kriegsrechts und das Amtsenthebungsverfahren gegen den amtierenden Präsidenten Yoon Suk Yeol für starke Verunsicherung der Bürger gesorgt, die darauf mit Kaufzurückhaltung reagieren: Schätzungen des nationalen Industrieverbands zufolge dürfte der private Konsum im laufenden Jahr um 1,6% zurückgehen: Die Binnennachfrage liefert kaum Entlastung. Es bleibt von daher abzuwarten, ob der jüngste Sprung des Einkaufsmanager-Index über die Expansionsschwelle (50,3 Punkte im Januar nach 49 Punkten per Dezember) aufgrund wachsender Auftragseingänge mehr ist, als ein Ausreißer.
Das vom IWF für Südkorea gezeichnete Bild erscheint sehr optimistisch. Wir raten zur Vorsicht.