Südafrika – Weiterhin dringender Reformbedarf

Die durch die Wahlen vom Juni letzten Jahres deutlich veränderte politische Landschaft hatte bei uns hohe Erwartungen geweckt. Der IWF teilt diese in seinem jüngsten Bericht (Artikel IV) . Die Situation wird unter dem Titel „Eine neue politische Morgenröte“ zusammengefasst. Die nackten Zahlen fallen dagegen mit einer Prognose von 1,5 % für das laufende Jahr ernüchternd aus. Es läuft damit auf ein Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens um 0,2 % hinaus. Das ist zwar besser als nichts, aber ebenso wenig ein überschäumender Boom. Genauso verhält es sich mit dem mittelfristigen Trend von 1,8% BIP-Wachstum angesichts anziehender Investitionen und der Erneuerung der maroden Logistik sowie der Wasserversorgung und Wasserentsorgung.
Immerhin gibt es wieder zuverlässig Strom. Dass mehr Wohlstand möglich – und bei konsequenter Umsetzung der angekündigten Reformen auch erreichbar – wäre, zeigt die Projektion besonders eindringlich durch den Vergleich des Basisszenarios (Trend: 1,8%) mit den Folgen eines Rückfalls in die Zuma-Praktiken (Trend: 0,8%; Bevölkerungswachstums: +1,4%) und dem „upside scenario“ mit weiteren Reformen (Trend: um 3%).
Reformen sorgen für Unmut
Reformbedürftig sind insbesondere die öffentliche Auftragsvergabe, der rigide Arbeitsmarkt und die Staatsfinanzen. Das Staatsdefizit lag zuletzt bei 6% und der Schuldenstand bei 74,1% des BIP. Das schwache Wachstum begrenzt die Steuereinnahmen, während der Schuldendienst und die Sanierung des staatlichen Energieversorgers Eskom zusätzliche Ausgaben erfordern. Besonders schmerzhaft: Der Primärsaldo vor Zinszahlungen war mit 0,8% des BIP bereits negativ. Unter dem Strich muss das Leistungsbilanzdefizit von rund 1,8% des BIP finanziert werden. Das sollen laut IWF ausländische Investoren mit Direktinvestitionen und Portfolio-Investitionen leisten – nicht zuletzt unter der Voraussetzung, dass die Aufbruchstimmung anhält.
Dies ist jedoch fraglich, seit sich nach der Lösung der akuten Probleme die alte Grundsatzfrage nach einer Reform der aus der Kolonial- und Apartheidzeit unverändert übernommenen Landverteilung stellt. Dies führt seit dem Spätherbst zu erheblichen Spannungen innerhalb der „Regierung der nationalen Einheit“, was sich auf die Stimmung auswirkt: Der seit gut einem Jahr anhaltende positive Aktientrend droht zu kippen, und die Einkaufsmanagerindizes sind zum Jahresende unter die Expansionsschwelle von 50 Punkten gefallen. Die Botschaft ist klar: Alle Reformen bleiben Stückwerk, solange das Grundproblem „Landreform“ nicht gelöst ist.
Anleger sollten einen Fuß in Südafrika behalten, aber einen Teil des Pulvers trocken halten.