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Kaukasus – Unruhige Gegend

Auf die (hoffentlich) zu Ende gehende Corona-Krise folgt 2021 und 2022 ein kräftiger Aufschwung, dessen Tempo ab der zweiten Jahreshälfte auf den langfristigen Potenzialtrend heruntergeregelt wird. Dieses bekannte Grundmuster liegt auch den Prognosen für die ehemals sowjetischen Kaukasus-Republiken von Weltbank oder dem IWF zugrunde.

Der armenisch-aserbeidschanische Konflikt stört die Ruhe in der Kaukasus-Region.
Der armenisch-aserbeidschanische Konflikt stört die Ruhe in der Kaukasus-Region. © CC0

Doch während sich das Virus kaum irgendwelchen Vorhersagen fügt, gilt es im Kaukasus zusätzlich, eine ganze Reihe lokaler Sonderfaktoren zu beachten. Da ist zunächst der Einfluss der mächtigen Nachbarn Russland und mit Abstrichen der Türkei, von denen direkt wirtschaftliche Impulse ausgehen und die das geopolitische Klima bestimmen, wie zuletzt Armenien besonders hart zu spüren bekam. Gerade die Aussichten für Russland scheinen angesichts der aktuellen Spannungen besonders ungewiss, da selbst eine erhebliche Verschärfung der Sanktionen zu den realistischen Szenarien zählt.

Die Prognosen von IWF/Weltbank von 5,5/6,1% für 2021, 5,3/4,8% für 2022 und 5,0/5,4% für 2023 für Armenien wirken sehr optimistisch angesichts der großen Spannungen mit Aserbaidschan und dessen Schutzmacht Türkei, während Russland seine Beistandszusage nicht einlöst. Armenien hat mit den notgedrungen abgetretenen Gebieten nicht nur wichtige Bodenschätze an Aserbaidschan verloren, sondern auch erhebliche Wasserreserven für die Stromproduktion und die Landwirtschaft. Im Falle Aserbaidschans liegen die Zahlen der Institute weit auseinander: Der IWF ist mit der Projektion 2,3, 1,7 und 1,7% für 2021 bis 2023 sehr vorsichtig und verweist zur Begründung auf die strukturellen Probleme (Korruption) sowie die sich dem Ende ihres Lebenszyklus nähernden Öl- und Gasvorkommen Bakus. Die Weltbank ist mit 5,0, 3,1 und 2,7% sehr viel optimistischer und rechnet offenbar die neuen Chancen in den eroberten Gebieten mit ein sowie die starke globale Nachfrage nach Öl und Gas.

Für Georgien sind die innenpolitischen Risiken beachtlich seit Regierungschef Irakli Garibaschwili immer deutlicher einen autoritären Kurs steuert, der westliche Unterstützer vertreibt. Immerhin ist der Ausblick hier einheitlicher: Auf die starke Erholung 2021 mit rd. 10% sehen die Volkswirte 5,5 bis 5,8% für 2022 und etwa 5% für 2023. Die Finanzlage könnte zum Problem werden, wenn sich die westlichen Staaten weiter zurückziehen und gleichzeitig die Staatsfinanzen stärker für die Wirtschaft in Anspruch genommen werden. Insofern sind die genannten Zahlen wohl eher Obergrenzen.

Für die kleinste Republik, Moldawien, werden etwa 7% für 2022 geschätzt und zwischen 4 und 5,5% für 2023 erwartet – was angesichts der jüngsten Finanznöte auf sehr dünnem Eis steht. Die Regierung in Chisinau bat Gazprom gerade erneut um einen Zahlungsaufschub für die fällige Gasrechnung, das Geld ist einfach nicht vorhanden. Das kann als Vorbote für eine neuerliche Zahlungsbilanzkrise gesehen werden.

Trotz der relativ guten Zahlen für alle vier Staaten halten wir eine allenfalls neutrale Gewichtung der Region für angemessen, die Risiken sind zu groß.

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