Georgien – Westorientierung wird immer fraglicher
Das reale Wachstum soll von 7,5% im letzten Jahr auf Werte um 5% in den Jahren 2024 bis 2026 zurückgehen. Die Projektion beruht zu einem großen Teil auf der Fortsetzung der expansiven Tendenzen, die sich nach der russischen Invasion in der Ukraine eingestellt haben.
Westen drosselt Direktinvestitionen
Die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Kapital- und Personenströme, insbesondere aus Russland, haben sich zwar abgeschwächt, liegen aber immer noch über dem Vorkriegsniveau und stützen die anhaltend starke Wirtschaftsleistung. Der Konsum soll eine größere Rolle spielen, während das Gewicht der Investitionen abnimmt. Die Brückenfunktion zwischen den westlichen Industriestaaten und Russland sorgt weiterhin für Gewinne im Außenhandel, sodass das Leistungsbilanzdefizit 2023 auf ein historisches Tief von 4,5% des BIP gesunken ist. Im laufenden Jahr wird es sich aber dank des stärkeren Konsums wieder ausweiten. Der IWF schätzt es auf 6% des BIP.
Hier liegt eine der Unsicherheiten des Szenarios, denn diese Defizite müssen aus dem Ausland finanziert werden. Eine der solidesten Quellen dafür sind die ausländischen Direktinvestitionen (FDI). Diese beliefen sich 2023 nach Angaben des nationalen Statistikamtes Geostat auf knapp 1,6 Mrd. USD, was einem Rückgang von 24% gegenüber dem Vorjahr (2,1 Mrd. USD) entspricht. Mehr als zwei Drittel davon entfielen auf vier Staaten: UK, die Niederlande, Türkei und die USA.
Wirtschaftsminister Lewan Dawitaschwili sagte jedoch, dass nur etwa 50% der ausländischen Direktinvestitionen aus EU-Ländern kämen, gefolgt von den USA und den Golfstaaten. Nach den Zahlen von Geostat für 2023 entfällt weit mehr als die Hälfte der FDI auf EU-Länder, während kein einziger Golfstaat unter den Top 10 zu finden ist. Zudem ist der Anteil des „frischen“ Geldes auf nur noch 20% (Vj.: 35%) der gesamten FDI gesunken, der jeweilige Rest sind reinvestierte Mittel.
Der Rückgang der FDI könnte daher problematisch werden. Westliche Investoren scheinen das Vertrauen in die georgische Regierung zu verlieren, deren Wille zur West-Integration immer fraglicher wird. Stattdessen verbreitet die Regierungspartei pro-russische Propaganda, wonach „der Westen“ den Krieg in der Ukraine angezettelt habe und Georgien in diesen Krieg hineinziehen wolle. Hinzu kommt eine deutlich antiwestliche Kulturkampfrhetorik mit entsprechenden Gesetzesinitiativen, die für immer neue Konflikte mit der EU sorgen. mk
Zentralasien hat interessantere Alternativen.