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Demografie – Politik ändert Trends

Lange Zeit war ein hohes Pro-Kopf-Einkommen in einem Land ein zuverlässiger Indikator für eine niedrige Geburtenrate. Im Jahr 1980 brachte in ärmeren europäischen Ländern wie Portugal (2,3) und Spanien (2,2) jede Frau im Schnitt über zwei Kinder zur Welt. Doch 20 Jahre später hat sich die Situation erheblich verändert (Portugal 1,6; Spanien 1,2), womit beide Länder unter die Schwelle der natürlichen Reproduktion gerutscht sind.

Hohe Bildung führt zu weniger Nachwuchs - nicht mehr.
Hohe Bildung führt zu weniger Nachwuchs - nicht mehr. © CC0

Demgegenüber wiesen die vergleichsweise reichen USA nach Daten der Weltbank im gleichen Zeitraum einen Anstieg der Geburtenrate von 1,8 auf 2,3 aus. Hier hat sich etwas grundlegend verändert, wie eine Forschungsgruppe der beiden Universitäten Mannheim und Regensburg jetzt zeigen konnte. Die Kausalitätskette vom hohen Einkommen zur niedrigen Geburtenrate ist offenbar gebrochen.

Frauen mit einem höheren Bildungsgrad hatten in der Regel weniger Kinder, weil die durch Bildung erzielbaren höheren Löhne die Opportunitätskosten der Kindererziehung erhöhen. Diese negative Beziehung ist jedoch z. B. in den USA schwächer geworden: 1980 wiesen die US-Bürgerinnen mit der höchsten Schulbildung die höchste Erwerbsquote und die niedrigste Geburtenrate aus. 2019 hat die höchste Bildungsgruppe eine höhere Geburtenrate als die schwächeren Gruppen.

Hier kommt die in den letzten Jahren in den westlichen Staaten sukzessive verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In vielen Ländern mit hohem Einkommen sind Frauen heute einen Großteil ihres Lebens erwerbstätig und erfüllen sich so den Wunsch nach Karriere und Familie. Aus historischer Sicht können wir diese Verschiebung als eine Annäherung der allgemeinen Lebenspläne von Frauen und Männern nach einer langen Periode scharf getrennter Geschlechterrollen interpretieren. Eine erschwingliche Kinderbetreuung verschafft den Frauen mehr Zeit und ermöglicht es ihnen, Mutterschaft und Beruf zu vereinbaren, was letztlich die Geburtenrate erhöht. In Ländern wie Schweden und Dänemark, in denen öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen in großem Umfang zur Verfügung stehen, sind die Beschäftigungs- und Geburtenraten von Frauen daher höher.

Eine konservative, an traditionellen Rollenbildern orientierte Politik ist aus dieser Sicht kontraproduktiv, wie der Vergleich Tschechiens mit Polen zeigt: Bis zum Ende des Ostblocks verzeichnete Polen eine höhere Geburtenrate (bis 2,4) als Tschechien (nicht über 2). Seit 2005 hat sich das Verhältnis umgekehrt: Polens Geburtenrate kommt nicht über 1,4 hinaus, während Tschechiens Geburtenrate kontinuierlich anzieht und zuletzt bei 1,7 stand. 2005 übernahm die PiS-Partei in Polen die Regierung und hat seitdem eine konservative Familien- und Gesellschaftspolitik entlang der traditionellen Rollenbilder durchgesetzt, was für eine niedrige Geburtenrate sorgt.

Nimmt man die feindselige Haltung der PiS zur Zuwanderung hinzu, ist der dauerhafte Rückgang des Arbeitsangebotes in Polen vorgezeichnet. Demgegenüber bleibt Tschechien auch in dieser längerfristigen Perspektive das bessere Ziel für Investitionen. 

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