China – Misstrauische Bürger
Der Knackpunkt liegt im Immobilienmarkt, der vor der Pandemie ein wichtiger Wachstumsmotor für die gesamten Wirtschaft war. Die Aktivität verlangsamte sich zunächst, als die Regierung die Überhitzung dämpfen wollte, was die hoch verschuldeten Bauträger zügelte. Das hatte allerdings stärkere Folgen als gedacht: Einige stark verschuldete Bauträger und Entwickler wurden insolvent und konnten bereits bezahlte Wohnungen nicht fertigstellen. Die misstrauisch gewordenen Käufer hielten sich zurück und die Verkäufe blieben schwach. So gingen die Immobilieninvestitionen zwischen Januar und Mai ggü. Vj. um 7,2 % zurück.
Das Ende des langen Immobilienbooms hat die Wirtschaft in mehrfacher Hinsicht geschädigt: Es hat das Baugewerbe und alle damit verbundenen Dienstleistungen, die für den Bau und Verkauf von Häusern benötigt werden, in Mitleidenschaft gezogen. Da Hausbesitzer weniger bereit sind, Geld auszugeben, wenn sie sich Sorgen um ihren wertvollsten Vermögenswert machen, hat das Ende des Booms wahrscheinlich auch den Konsum gedämpft. Viele Unternehmen in China nutzen Immobilien als Sicherheiten für ihre Kredite, sodass auch die privaten Investitionen zurückgegangen sein dürften. Immobilienblasen enden selten gut, wie z.B. Japans Krise der 80er Jahre zeigte, als der Einbruch der Marktpreise nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Käufer in die Überschuldung drückte. Ähnliches droht jetzt offenbar in China.
Als Japans Vermögenspreisblase Ende 1989 geplatzt ist, verlangsamte sich das Wachstum dramatisch. Verschuldete Unternehmen und Haushalte zahlten zuvorderst die Verbindlichkeiten ab, anstatt Geld für Waren und Dienstleistungen auszugeben. Zusammen mit einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung bedeutete dies, dass das japanische BIP-Wachstum hinter dem der übrigen Industrienationen zurückblieb und eine Deflation erlebte. Die Regierung setzte bei ihrem Konjunkturprogrammen auf die Förderungen von Investitionen und nicht auf den Konsum, der allein den Karren aus dem Dreck hätte ziehen können. Auch Beijing scheint geneigt, Zuschüsse für Investitionen aber nicht für den Konsum locker zu machen.
Obwohl die Fanfare der chinesischen Führung über den „gemeinsamen Wohlstand“ die Hoffnung weckte, dass eine gleichmäßigere Einkommensverteilung den Konsum steigern könnte, liegt der Anteil der Haushaltsausgaben am BIP mit 38% weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 55%. Ursache ist letztlich das Misstrauen der Bürger gegenüber dem staatlichen Sozialsystem. Sie sorgen daher privat vor, was auf Kosten des Konsums geht. Solange sich daran nichts ändert, wird es keine durchgreifende Besserung geben. mk