Deutsche Aktien

Wirtschaftsplus am Bosporus

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Mit seiner Reaktion auf die Satire des NDR-Magazins „Extra 3"" hat Recep Erdogan einmal mehr bewiesen, was er von Meinungs- und Pressefreiheit hält. Kritik nimmt der türkische Präsident persönlich und stellt sich im Zweifelsfall gerne über geltendes Recht. Der „Boss vom Bosporus"" setzt politische Gegner unter Druck, wo es nur geht, und gefährdet damit die Annäherung an Europa, die er früher selbst anstrebte.

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Die türkische Wirtschaft sollte unter den schwierigen Beziehungen zum Westen leiden; diese Vermutung liegt zumindest nahe. Am Donnerstag überraschte das Türkische Statistikamt jedoch mit seinen Zahlen für 2015. Obwohl die Touristen das Mittelmeerland nach einer Reihe von Anschlägen meiden, stieg das Bruttoinlandsprodukt um satte 4%. Für das laufende Jahr ist Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sogar noch optimistischer. Besonders höhere Konsumausgaben und steigende Investitionen trieben die Wirtschaft, gleichzeitig gingen die Exporte leicht zurück.

Während die Geschäftserwartungen deutscher Unternehmen in der Türkei laut DIHK sehr zurückhaltend ausfallen, sind es so vor allem Konsumgüterhersteller, die am Bosporus punkten. Von den DAX-Unternehmen beobachteten dort zuletzt Adidas und Beiersdorf erfreuliche Umsatzzuwächse. Volkswagen konnte in den ersten neun Monaten (weitgehend vor der Abgasaffäre) 45% mehr Pkw ausliefern, Daimer steigerte seinen Absatz im Gesamtjahr um 35% und profitiert vom trotz der Tourismusflaute wachsenden Markt für Reisebusse. Passend dazu verkaufte die Allianz mehr Kfz-Versicherungen.

Bei vielen anderen DAX-Mitgliedern spielt das Türkeigeschäft dagegen eine untergeordnete Rolle. Infineon, Henkel oder ProSiebenSat.1 erwähnen das Land in ihren aktuellen Finanzberichten mit keinem Wort. Nichtbeachtung dürfte Erdogan indes genau so wenig gefallen wie Kritik. Sie passt nicht zu seinem Selbstverständnis.

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