Emerging Markets

Russland – Schlimmer geht immer

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Die Kapitalflucht schickt sich an, auch die schlimmsten Befürchtungen noch zu übertreffen. Den mittlerweile vorliegenden Zahlen zum ersten Quartal zufolge belaufen sich die in den offiziellen Zahlen nachvollziehbaren Abflüsse allein in den ersten drei Monaten des Jahres auf 50,6 Mrd. USD. Die im März von der Weltbank geschätzten etwa 150 Mrd. USD an Abflüssen dürften damit näher an der Realität liegen als die etwa 15 Mrd. USD, die noch zum Jahreswechsel von Finanzminster Anton Siluanow genannt wurden. Mit diesen Zahlen sind allerdings nur die offen ausgewiesenen Abflüsse erfasst. Die tatsächliche Kapitalflucht könnte durchaus höher sein, weil sich verdeckte Transfers durch überhöhte offizielle Rechnungen für Importe oder unterfakturierte Exporte (die Differenzen bleiben jeweils auf diskreten Konten im Ausland) nicht erfasst sind. Dass solche Praktiken auch die Handelsbilanz eines großen Landes verzerren können, hat China im letzten Jahr bewiesen, als gezielte Kontrollen im Außenhandelsgeschäft beachtliche Ausmaße für die verdeckten Kapitalflüsse ergaben.

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Die Faktoren dahinter sind bekannt: Die Konjunktur hat sich abgeschwächt und führt zu schwächeren Ertragserwartungen für Investitionen in Russland. Gleichzeitig steigen die politischen Risiken für Investoren deutlich an. Höhere Risiken bei sinkenden Ertragsaussichten sind schlagende Argumente für einen Abzug der Mittel: Die russischen Unternehmer bringen ihr Geld in Sicherheit, weil sie dem Putin-Regime nicht trauen und lassen ihr Geld lieber außerhalb Russlands arbeiten und halten sich Fluchtwege offen – was die russische Wirtschaft teuer zu stehen kommt. Statt neuer Arbeitsplätze und technischem Fortschritt durch Investitionen werden mit diesen Mitteln zunehmend Immobilien in Dubai oder Fonds in der Schweiz finanziert. Ausländische Investoren müssen neben schlechten Geschäften in Russland auch direkte Zugriffe des Regimes fürchten, denn Putins Regierung wird irgendwann auch erlegte Sündenböcke präsentieren wollen. Enteignungen unter dem Schein rechtsstaatlicher Verfahren sind jederzeit möglich und auch schon praktiziert worden, die Fälle TNK, Sachalin oder Yukos sollten nicht in Vergessenheit geraten.

Dabei sollte eine Falle vermieden werden: Viele Osteuropa-Fonds wie etwa der DWS-Osteuropa (LU0062756647) legen traditionell stark Russland-lastig an mit Anteilen von weit über 50% im Portfolio. Diese Instrumente sollten derzeit gemieden werden. Letztlich steht dahinter eine gebrochene Anlagestrategie: Osteuropa war und ist bisher unter dem Aspekt „Konvergenz“ ein interessantes Anlageziel gewesen. Aus Kandidaten und Assoziierten der EU wurden Vollmitglieder im Zuge des Modernisierungs- und Intergrationsprozesses. Russland hat sich nie als ein Teil dieses Prozesses verstanden sondern sich immer klar als Gegenüber der EU positioniert. Zudem liegt auch das Hauptgewicht der russischen Titel beim Öl- und Gasgeschäft , was schlecht zur industriell orientierten EU-Story passt. Osteuropa pur, also ohne die störenden Russlandanteile liefert etwa der österreichische RT Osteuropa Aktienfonds (AT0000615299), der vorzuziehen wäre.

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