Ischinger: „Europa muss die Antwort sein“

Ob Trumps Zollpolitik lediglich eine Verhandlungstaktik darstellt oder doch den Versuch, das „gegenwärtige System aus den Angeln zu heben“ – beides könne er nicht ausschließen. Das erste große Opfer dieser Vorgehensweise steht für Ischinger aber bereits fest: das Vertrauen in die Vereinigten Staaten. „Ganz egal, was in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten passiert, der entstandene Schaden ist auf absehbare Zeit irreparabel.“
Auch zu einem baldigen Frieden in der Ukraine äußert sich Deutschlands ehemaliger Botschafter in Washington und London skeptisch. „Solange nicht beide Seiten überzeugt sind, dass der militärische Einsatz keine Vorteile mehr bringt – weder territorial noch politisch – wird es keine ernsthaften Verhandlungen geben.“ Dieser Punkt sei auf russischer Seite noch nicht erreicht. Die von Wladimir Putin ausgehende Bedrohung nimmt Ischinger sehr ernst. Auch wenn Russland geschwächt sei, könne ein Angriff auf weitere Staaten nicht ausgeschlossen werden.
Im Falle eines Waffenstillstands könne Russland innerhalb weniger Jahre wieder ein großes Arsenal moderner Waffen aufbauen. Sollte die Besetzung der Ukraine gelingen, stünden Truppen dann direkt an der Grenze Polens. Für Ischinger ist es eine bittere Wahrheit, „dass Russland Schwäche ausnutzen würde“, jedenfalls müsse man davon ausgehen.
Für den bekennenden Transatlantiker kann die Antwort auf diese Krisen nur Europa sein. Es brauche das von Emmanuel Macron bereits beschworene Europa, das sich auch selbst schützen kann. Hierfür erhofft er sich vor allem von der neuen Bundesregierung den Start einer europäischen Initiative, um „zu Verteidigungsfragen mit einer Stimme zu sprechen, einen gemeinsamen Rüstungsmarkt aufzubauen und so sicherheitspolitisch gemeinsam voranzugehen.“
Am besten beginne man damit in einem „harten Kern“ aus Deutschland, Frankreich, Polen, den baltischen Staaten sowie Schweden und Finnland. Das sei überfällig und würde auch in Washington, Moskau und Peking Eindruck machen. Dem vermutlich nächsten deutschen Kanzler attestiert Ischinger die dafür nötige Führungsstärke.
Das vollständige Interview lesen Sie hier.