Aktive Preisgestaltung im Übernahmeverfahren

Erst lief alles wie geplant für den Baukonzern Standard Industries: Die US-Amerikaner verkündeten, die in Deutschland notierte Braas Monier Building Group S.A. zu übernehmen. Erwartungsgemäß wies der Verwaltungsrat des Targets das Angebot (25 Euro/Aktie) zurück. Dennoch gab es keinen Grund zur Aufregung: Der Bieter hielt indirekt rd. 29,1% der Aktien und hatte sich weitere 10% durch sog. Irrevocables gesichert. Gegen eine Dividendenzahlung und Kapitalerhöhung hatten sich die Amerikaner aber nur ungenügend abgesichert. Dies dürfte bei Übernahmeangeboten künftig wichtiger werden, erwartet Christoph Nolden, Experte für Kapitalmarktrecht bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.

Mit ihrer Übernahmeofferte sahen sich die Amerikaner zunächst im „Driver’s Seat“. Entsprechend enthielt das Angebot auch keine Mindestannahmequote. Gesprächsanfragen von Braas Monier mit dem Ziel der Erhöhung des Angebots-preises wurden zurückgewiesen. Das Übernahmeangebot hätte – wie häufig bei vorweggenommenen Pflichtangeboten – still und unaufgeregt ablaufen können. Bis eine Ad-hoc-Meldung von Braas Monier Spannung ins Spiel brachte.

Keine Gefahr für das Angebot
Nachdem die Rufe nach einer Erhöhung des Angebotspreises unerhört geblieben waren, handelte der Verwaltungsrat des Targets: Er kündigte als frühes Weihnachtsgeschenk für den 23. Dezember die Ausgabe von Gratisaktien an die Aktionäre im Verhältnis 1:10 und die Zahlung einer Zwischendividende von 0,57 Euro noch vor Ende des Übernahmeverfahrens an. Mit der Zwischendividende sollte zwar „nur“ ein Teil der ohnehin geplanten Dividende vorgezogen werden – mit dem kleinen, aber feinen Nebeneffekt, dass die Dividende noch an die Altaktionäre ausgezahlt wird. Da das Übernahmeangebot rechtlich für alle ausgegebenen Aktien zum Zeitpunkt des Ablaufs der Angebotsfrist gilt, erhöhte der Verwaltungsrat des Targets das Angebot faktisch von 25 Euro auf 28,13 Euro. Allein die Kapitalerhöhung verteuerte das Angebot für Standard Industries über Nacht um rd. 70 Mio. Euro. Die Zwischendividende sorgte für einen weiteren Kapitalabfluss in Höhe von gut 15 Mio. Euro.Im Markt wurde die Guerilla-Aktion des Verwaltungsrats als Abwehrmaßnahme und „Mini Poison-Pill“ gewertet. Rechtlich ist das nicht korrekt: Das Target hatte das Angebot weder abgewehrt noch bedroht, sondern schlicht verteuert.

Standard Industries saß in der Klemme: Zwar hatte man sich in der Angebotsunterlage durch die Aufnahme von negativen Vollzugsbedingungen gegen Abwehrmaßnahmen des Targets wie Kapitalerhöhungen oder Dividendenauszahlungen gerüstet. Entsprechend der übernahmerechtlichen Praxis galten für diese aber bestimmte Wesentlichkeitsschwellen, die Braas Monier geschickt ausgenutzte hatte. Standard Industries blieb an sein Angebot gebunden, einen Rücktritt außerhalb negativer Vollzugsbedingungen kennt das deutsche Übernahmerecht nicht.

Überraschend war daher für Insider eher die Reaktion des Bieters: Binnen Wochenfrist wurde Braas Monier eine einstweilige Verfügung zugestellt, die den Beschluss über die Kapitalerhöhung und die Dividendenzahlung vorläufig außer Kraft setzte. Hier nutzte nun der Bieter geschickt die Besonderheiten des Falles: In Deutschland steht bei möglichen Verstößen gegen das Verbot von Abwehrmaßnahmen in § 33 WpHG nur Aktionären Rechtsschutz zu – und das auch nur, soweit sich der Vorstand eigenmächtig über Kompetenzen der Hauptversammlung hinwegsetzt. Auf Grund des Sitzes der Braas Monier in Luxemburg konnte sich der Bieter für die einstweilige Verfügung an Luxemburger Gerichte halten – die offensichtlich ein weites Verständnis der EU-Übernahmerichtlinie pflegen.

Preisschlachten statt Abwehrschlachten?
Hat Braas Monier mit der unabgestimmten aktiven Preisgestaltung einen neuen Trend ausgelöst? Das wohl nicht: Die Ausgabe von Gratisaktien und die Zahlung von Zwischendividenden sind bei deutschen Gesellschaften ohnehin nur unter besonderen Voraussetzungen und mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich. Freilich stehen auch dem Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft oder SE über die Ausgabe von Aktien aus genehmigtem Kapital oder die Emission von Wandelschuldverschreibungen Möglichkeiten zur faktischen Verteuerung eines bereits abgegebenen Angebotes offen.

Wahrscheinlicher ist, dass potenzielle Bieter in Folge der Braas Monier Übernahme in zweierlei Hinsicht reagieren, um einem unabgestimmten Preistreiben des Zielunternehmens entgegenzuwirken: Verschärfung der Vollzugsbedingungen und Aufnahme flexibler Angebotspreise mit einem Anpassungsmechanismus bei Kapitalerhöhungen und Dividendenzahlungen. Letztere stellen in der übernahmerechtlichen Praxis noch die Ausnahme dar, sind aber jedem potenziellen Bieter bei der Vorbereitung eines Übernahmeangebots anzuempfehlen.

Für Standard Industries war das Angebot am Ende teuer, aber erfolgreich. Nach einer Einigung mit dem Target akzeptierte der Bieter die Maßnahmen der Braas Monier. Inklusive einer weiteren Erhöhung des ursprünglichen Angebotspreises zahlte der Bieter am Ende faktisch 28,50 Euro pro Aktie vor Kapitalerhöhung oder insgesamt rd. 82 Mio. Euro mehr als zunächst geboten. Die Annahmequote betrug nach Ende der Annahmefrist knapp 70%. Für die Aktionäre der Braas Monier hat sich das aktive Shareholder Value Management des Verwaltungsrats gerechnet – ob die Verwaltungsratsmitglieder nach Bekanntwerden der Annahmequote schon ihre Aufhebungsverträge unterzeichnet haben, ist nicht bekannt.

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