Insolvenzverwalter erwarten einen „heißen“ Herbst 2020
Gr0ße Pleitewelle rollt an _ Die Bundesregierung reagiert auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie mit einem Rettungspaket von beispiellosem Ausmaß: Soforthilfen, Überbrückungskredite, Beteiligungen und nicht zuletzt die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht haben der deutschen Wirtschaft Luft verschafft.
Die Maßnahmen zeigen Wirkung, wie aktuelle Zahlen von Creditreform zeigen. So verringerte sich im ersten Halbjahr 2020 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,2%. Die große Ernüchterung dürfte jedoch bald folgen. Wenn zum 30.9.20 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausläuft – und nicht verlängert wird – rechnet die große Mehrheit der deutschen Insolvenzverwalter und Restrukturierungsberater mit „stark steigenden Zahlen“.
Die Corona-Pandemie sei dabei aber nicht die Hauptursache, sondern vielmehr ein „Brandbeschleuniger“, meint Johannes von Neumann-Cosel, Partner der Restrukturierungsberatung Falkensteg, und bezieht sich dabei auf das erste Quartal des Jahres, das von den Folgen der Pandemie noch weitgehend verschont wurde. Gleich 45 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro mussten von Januar bis März einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen, zehn Firmen mehr als im Vorquartal und gleichzeitig der höchste Quartalswert der vergangenen acht Jahre. „Die meisten Unternehmen, die einen Antrag stellen mussten, waren schon angeschlagen, in finanziellen Schwierigkeiten oder so genannte Zombieunternehmen“, weiß von Neumann-Cosel. „COVID-19 hat den letzten Impuls gegeben, ist aber nicht der alleinige Auslöser.“
Textil- und Autobranche besonders hart getroffen
Die bereits vor der Krise angeschlagenen Branchen Textil und Automobil erwiesen sich im ersten Quartal denn mit jeweils sieben Unternehmen auch besonders betroffen. Ihnen gab das Virus und der folgende Shutdown quasi den Todesstoß. Aber auch Branchen, die zunächst scheinbar glimpflich davon gekommen sind, seien weiter in Gefahr, so der Restrukturierungsexperte. Beispiel Maschinenbau: Seien die Auftragsbücher zu Beginn der Pandemie noch voll gewesen und hätten Aufträge abgearbeitet werden können, folge nun eine Flaute bei den Neuaufträgen.
Hinzu kommt, dass auch der M&A-Markt durch die corona-bedingten Einschränkungen unter Druck gerät. Denn eine Chance für kriselnde Unternehmen, das Ruder noch herumzureißen, waren bisher strategische Investoren, die Wettbewerber gezielt aufgekauft haben. Diese fielen derzeit aber vielfach aus oder laufende Deals gerieten durch die Reise- und Kontaktbeschränkungen ins Stocken, so Michael Euchner, Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart. Lachende Dritte könnten daher Finanzinvestoren sein. „Insbesondere Private Equity Fonds verfügen über viel Kapital, das investiert werden muss“, so Euchner. Und mit der sinkenden Nachfrage und der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage dürften zumindest zeitweise auch die Kaufpreise unter Druck geraten. „Hier eröffnen sich Chancen für Finanzinvestoren, gezielt nach werthaltigen ‚Schnäppchen‘ Ausschau zu halten.“
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