Reverse Engineering bedroht unternehmerisches Know-how
Ende März hat der Bundestag das neue Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GeschGehG) verabschiedet und damit das deutsche Recht an die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/943 angepasst. Das Gesetz erlaubt Unternehmen die rekonstruierende Produktanalyse, das so genannte Reverse Engineering, und hebt damit bislang entgegenstehende Strafvorschriften auf.
Künftig ist es daher zulässig, durch Beobachten, Untersuchen oder Rückbauen eines rechtmäßig erworbenen oder öffentlich verfügbaren Gegenstands oder Produkts ein darin enthaltenes Geschäftsgeheimnis wie etwa einen Bauplan oder eine Rezeptur zu erlangen. „Innovative Unternehmen sehen sich damit neuen Herausforderungen gegenübergestellt, um die Geheimhaltung ihres Know-hows effektiv abzusichern“, sagt Rechtsanwalt Thomas Nägele von der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz. Sein SZA-Kollege Alexander Stolz ergänzt: „Die Rechtsprechung war in der Vergangenheit zwar nicht völlig stringent. Tendenziell war Reverse Engineering in Deutschland jedoch – anders als in vielen anderen Industrienationen – nur sehr beschränkt zulässig und daher problematisch.“ Wer sich ein nichttriviales Geschäftsgeheimnis durch Anwendung technischer Mittel unbefugt verschaffte, machte sich in der Regel strafbar. Diese Strafvorschriften aus dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) werden nun durch das GeschGehG aufgehoben.
Unternehmen müssen schnell handeln
Für Unternehmen besteht deshalb nun akuter Handlungsbedarf, um Reverse Engineering durch Kunden oder Konkurrenten einen Riegel vorzuschieben. Das ist auch unter dem neuen Gesetz möglich: „Es ist ausdrücklich vorgesehen, dass Unternehmen einem Vertragspartner durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen das Reverse Engineering verbieten können“, so Nägele weiter. Ungeachtet des dafür notwendigen Verhandlungsgeschicks bestehen hier aber noch rechtliche Unklarheiten. So ist z. B. noch offen, ob und inwieweit Reverse Engineering in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkt werden kann. Fraglich ist auch, ob Unternehmen Beschränkungen auf einen möglichen Zweiterwerber erstrecken können. Nägele plädiert daher für einen ganzheitlichen Ansatz: „Neben einer sorgfältigen Vertragsgestaltung sollten Unternehmen nach Möglichkeit auch technische Schutzmaßnahmen etablieren, die den Zugang zu Geschäftsgeheimnissen in Produkten erschweren.“ Zudem sollten sie Musterstücke nur im notwendigen Umfang herausgeben.
Dies alles kann laut Rechtsanwalt Stolz wiederum nur Teil eines umfassenden Compliance-Konzepts zum Geheimnisschutz sein, da der Schutz nach dem neuen Gesetz im Generellen an das Vorhandensein angemessener Schutzmaßnahmen für Geschäftsgeheimnisse anknüpfe. Da es keine Übergangsfristen gibt, ist hierbei schnelles Handeln notwendig.
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