M&A und Automotive – Die Kooperationswelle rollt
Fast täglich wird eine neue Kooperation im Automobilsektor vermeldet. Neben den „klassischen“ Gründen wie Kostenersparnis und Verteilung von Risiken wird die zunehmende Kooperationsbereitschaft aber auch durch neue Technologien und Anbieter befeuert. Was das für den M&A-Markt bedeutet, beleuchten Holger Hofmeister und Matthias Horbach, Partner im Frankfurter Büro der Kanzlei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom.
Inhaltlich geht es oft um die Bereiche Connected, Autonomous, Shared/Services und Electrified (auch CASE bzw. ACES genannt). Schlagzeilen machten jüngst z. B. Daimler und BMW, die sowohl bei Shared/Services mit neu zu gründenden Joint Venture-Gesellschaften (NOW-Familie) als auch beim autonomen Fahren für den Privat-Pkw-Markt Kooperationen angekündigt haben. Gründe für die Zusammenarbeit sind u. a. Kostenersparnis und Schonung der Liquidität, Verteilung von Risiken sowie kürzere Entwicklungszeiträume und damit eine schnellere Vermarktung. Diese Gründe gelten aber nicht nur für die Hersteller (OEM), sondern auch für die Zulieferer und insbesondere auch für die „neuen Spieler“ im Markt. Dazu zählen etablierte Tech-Konzerne (etwa Alphabet/Waymo, Apple, Intel/Mobileye oder Microsoft), Tech-Newcomer (etwa Didi, Lyft oder Uber) sowie Autovermieter wie Sixt oder auch die Deutsche Bahn (mit ihrem autonomen Elektrominibus „loki“). Neue Technologien und auch die „neuen Spieler“ lösen hochgradig disruptive Entwicklungen aus und führen zu tektonischen Verschiebungen in einer bisher im Wesentlichen von denselben Akteuren in denselben Rollen geprägten Industrie.
Vielschichtigkeit der Kooperationen
Was bedeutet das mit Blick auf zukünftige M&A-Aktivitäten? Es ist weiterhin mit „klassischen“ Übernahmen zu rechnen, durch die sich der Erwerber insbesondere den Zugriff auf neue Technologien sichern und/oder mit denen er über schiere Größe Vorteile aus Skaleneffekten erzielen möchte. Übernahmen werden sowohl börsennotierte Unternehmen zum Ziel haben, als auch im privaten Umfeld stattfinden – vermutlich wieder vermehrt als so genannte Distressed-Asset-Transaktionen.
Minderheitsbeteiligungen werden vor allem im Technologiesegment beliebt bleiben. Börsengänge sollten aller Voraussicht nach Ausnahmen darstellen, wenn auch gewichtige; hier sei etwa auf den – vorerst verschobenen – Börsengang der VW-Lkw-Tochter Traton verwiesen. Dagegen werden sehr verstärkt Joint Ventures in der Form von Gemeinschaftsunternehmen in den Vordergrund rücken oder sich andere Arten der Zusammenarbeit als „alternative“ M&A-Instrumente zeigen (etwa F&E-Vereinbarungen, Lizenztransaktionen).
Rechtliche und technische Due Diligence im Fokus
Bei einem Gemeinschaftsunternehmen bündeln die Joint Venture-Partner ihre jeweiligen Aktivitäten in einer separaten Gesellschaft. Beispiele dafür sind etwa die Gesellschaften der NOW-Familie (Daimler/BMW) oder der Einstieg von Honda in die GM-Tochter Cruise Automation. Rechtliche Herausforderungen stellen sich hier u. a. bei der im Vorfeld durchzuführenden Prüfung der Aktivitäten des Partners (Due Diligence) und der Vertragsverhandlungen, insbesondere der abzuschließenden Gesellschaftervereinbarung. Dabei kommt sowohl der technischen als auch der rechtlichen Due Diligence wegen der großen Bedeutung von Technologien und gewerblichen Schutzrechten eine erhöhte Bedeutung zu. Auch die Anforderungen an eine eigenständige Compliance Due Diligence nehmen (weiter) zu. In der Gesellschaftervereinbarung sind „klassische“ Themen wie Corporate Governance (Besetzung der Gremien, Mehrheits- und Zustimmungserfordernisse), Finanzierung (Business Plan/Budget, Gesellschafter- oder Fremdfinanzierung), Rechtsbeziehungen zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und den Joint Venture-Partnern und insbesondere der Exit (Haltefristen, Übertragungsbeschränkungen, Gründe für Exit, Zugriff auf gewerbliche Schutzrechte, Liquidation) je nach Anzahl der Partner differenzierter zu adressieren als bisher.
Erhöhte Regulierung verlängert Verfahren
Von regulatorischer Seite dürfte bis auf Weiteres vom Kartellrecht nur wenig Ungemach drohen. Die Branche ist im Umbruch, neue (Sub-)Märkte entwickeln sich schnell. Viele Akteure sind einbezogen, eine marktbeherrschende Stellung der Kooperationspartner dürfte sich regelmäßig nicht ergeben. Vielmehr wird die Zusammenarbeit häufig wettbewerbsfördernd sein. Probleme bereiten könnte dagegen das Investitionsschutzrecht, wenn Kooperationen mit ausländischen, insbesondere nicht in Europa ansässigen Partnern eingegangen werden. Bereits ab einer Schwelle von 25% der Stimmrechte (in einigen Fällen bereits ab 10%) kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Vereinbarkeit einer Beteiligung mit der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bzw. mit wesentlichen Sicherheitsinteressen prüfen und ggfs. die Kooperation untersagen oder Anordnungen erlassen. Voraussichtlich ab Herbst 2020 ist dabei den EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben (s. a. PLATOW Recht v. 3.4.).
Investmentkontrollverfahren können bereits heute erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, selbst wenn es im Ergebnis nicht zu einer Untersagung oder zu Anordnungen kommt. Für die Zukunft ist daher mit längeren Verfahrensdauern zu rechnen.
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