Marktstörungsklauseln in Konsortialkreditverträgen

Während der Finanzmarktkrise war die Refinanzierung vieler Kreditinstitute auf den Geldmärkten erschwert. Für viele Banken waren Geldmarktkredite nur noch zu schlechteren Bedingungen und zeitweise sogar überhaupt nicht mehr zugänglich. Auf der anderen Seite werden Geldmarktsätze häufig als Basis- oder Referenzzins bei der Kreditvergabe vereinbart. Sofern sich Kreditinstitute zu diesen Sätzen nicht refinanzieren können, laufen anhaltende Verluste auf. Derartige Marktverhältnisse sollen durch Marktstörungsklauseln mit Risikoübernahmevereinbarung adressiert werden. Ein Gastbeitrag von Michael Jünemann, Senior European Consultant der Sozietät Bird & Bird.

In internationalen und auch in deutschen Konsortialkreditverträgen hatte sich bereits vor der Finanzmarktkrise die Vereinbarung einer Marktstörungsklausel zum Marktstandard entwickelt. Darin wird die häufig aus EURIBOR oder LIBOR (als Basiszinssatz) zuzüglich Marge zusammengesetzte Zinsvereinbarung für den Fall der Marktstörung modifiziert. Wenn ein oder mehrere Kreditgeber, deren kumulierte Konsortialquote einen bestimmten Anteil am Gesamtkredit übersteigt, die zu ihrer eigenen Refinanzierung benötigten Mittel nur zu über dem vereinbarten Basiszinssatz liegenden Kosten einwerben können, kann üblicherweise eine Zinsanpassung verlangt werden. In diesem Fall bemisst sich der vom Kreditnehmer zu entrichtende Basiszinssatz für den auf den jeweiligen betroffenen Kreditgeber entfallenden Anteil am Gesamtkredit nach dessen tatsächlichen Kosten der Refinanzierung aus einer beliebigen von ihm in vernünftiger Weise ausgewählten Quelle. Außerdem besteht für den Kreditnehmer in diesem Fall üblicherweise ein Recht, Verhandlungen über einen anderen Basiszinssatz zu initiieren, der mit Zustimmung aller Kreditgeber und des Kreditnehmers dann für alle Parteien bindend werden kann.

Ohne Einigung bestimmt sich der zu zahlende Zins maßgeblich nach den Refinanzierungskosten jedes einzelnen Kreditgebers aus von ihm ausgewählten Quellen. Aus welchem Grund es zu den Eindeckungsschwierigkeiten bei einzelnen Kreditgebern kommt, welche Refinanzierungsmöglichkeiten er nutzen darf und wie sich dies auf die neue Zinsberechnung auswirkt, ist meistens nicht näher bestimmt. Damit sind sowohl allgemeine Marktentwicklungen als auch individuelle Schwierigkeiten beim Zugang zu Refinanzierungsmöglichkeiten gleichermaßen geeignet, eine Zinsanpassung herbeizuführen.

Praktische Anwendung von Marktstörungsklauseln

Die üblichen Klauseln bieten auf den ersten Blick die Möglichkeit, das Risiko einer Marktstörung und von damit verbundenen erhöhten Refinanzierungskosten auf den Kreditnehmer überzuwälzen. Soweit öffentlich bekannt, wurde in den USA und in Europa, abgesehen von Einzelfällen, davon jedoch nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Dem Vorteil der Risikoüberwälzung stehen in den meisten Fällen durchaus gewichtige Nachteile und unerwünschte Nebenwirkungen gegenüber.

Der Kreditgeber muss einen erheblichen Reputationsverlust befürchten, wenn er durch die Berufung auf die Marktstörungsklausel seine tatsächliche Unfähigkeit zur Refinanzierung zum oder in der Nähe des jeweiligen Basiszinssatzes offenlegen muss. Zusätzlich wird das Ausmaß der Schwierigkeiten des einzelnen Kreditgebers anhand des neuen dann mitzuteilenden Basiszinssatzes für den Kreditnehmer erkennbar. Dass dies bei Konsortialkrediten dem Wettbewerb dauerhaft verborgen bleibt, verhindert bis zu einem gewissen Grad schon die regelmäßig vereinbarte Offenlegung des Zinsaufwandes im Rahmen der Berechnung der Finanzkennzahlen – ein ggf. auch wettbewerbsrechtlich bedeutsamer Vorgang. Um das Vertrauen im Markt nicht zusätzlich zu gefährden, müsste ein Kreditgeber die Zinsanpassung, soweit möglich, bei allen Konsortialkrediten gleichermaßen vornehmen.

Zu den unerwünschten Nebenwirkungen gehört, dass sich die erhöhte Zinsbelastung unmittelbar auf die Einhaltung der regelmäßig vertraglich vereinbarten Finanzkennzahlen auswirkt. Das wird zusätzlich problematisch, wenn der Kreditnehmer das Zinsänderungsrisiko, wie üblich, nur durch einen Hedge gegen den jeweiligen gewöhnlichen Basiszinssatz abgesichert hat und weiterhin absichern muss.

Entwicklungsperspektiven

Den historisch unumstrittenen Klauseln mangelt es an Transparenz und Objektivität. Entsprechend zeichnet sich eine Entwicklung in der Vertragspraxis ab, wonach der Basiszins zunächst durch einen alternativen Basiszins ersetzt wird, bevor die Zahlung tatsächlicher Refinanzierungskosten verlangt werden kann. Dazu werden typischerweise alternative Referenzbanken vereinbart, die entsprechende Daten liefern sollen. Ziel ist ein alternativer Basiszins nahe den tatsächlichen Refinanzierungskosten der Kreditgeber. Ob alternative Referenzbanken in einer Krisensituation Zinssätze in der Nähe des tatsächlichen Marktniveaus nennen werden, bleibt offen.

Kreditnehmer sollten deshalb darauf achten, dass ihnen die Vereinbarung nicht das Risiko einer Verschlechterung der individuellen Kreditwürdigkeit der Kreditgeber aufbürdet, sondern allenfalls allgemeine Veränderungen im Refinanzierungsmarkt betreffen. Zusätzlich sollten die Auswirkungen auf Finanzkennzahlen und das Hedging ausgewogen und sinnvoll gestaltet werden. Hier können vor einer Marktstörung verlängerte und währenddessen verkürzte Zinsperioden eher als entschädigungslose vorzeitige Tilgungsmöglichkeiten helfen. Die erkennbare Markttendenz zur Vereinbarung transparenter und objektiver Marktstörungsklauseln ist in jedem Fall zu begrüßen.

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